Die Midlands sind das Herz Englands. Die Region um Birmingham ist ein eher unbekanntes Reiseziel, denn die meisten Besucher Großbritanniens zieht es zuerst ins malerische Cornwall, ins grenznahe Kent oder in die lieblichen Cotswolds. Wer es etwas rauer mag, wählt Schottland oder Wales – aber in die Midlands verirren sich nur wenige ausländische Touristen. Dabei sind die Midlands reich an Kultur und Geschichte, denn schon im frühen Mittelalter war die Region ein wichtiges Handelszentrum. Im 19. Jahrhundert wurden die Midlands durch die Industrialisierung und den Kohleabbau wohlhabend, gleichzeitig wuchs aber auch die Armut. Heute ist die Region vor allem für ihre hohe Arbeitslosigkeit bekannt. Ich habe fast zwei Wochen in den Midlands verbracht und viele interessante Orte entdeckt. Im heutigen Artikel erzähle ich, warum ich die Midlands als Reiseziel gewählt habe und zeige euch nicht nur Birmingham, sondern auch viele historische Ausflugsziele in den West Midlands. Ich habe einen geheimen Garten und das Haus von Enola Holmes besucht, in geheimnisvollen Ruinen gepicknickt und alte Bücher bewundert. Ich habe malerische Orte und sagenumwobene Wanderwege entdeckt. Die West Midlands habe ich als sehr abwechslungsreiches und nicht überlaufenes Reiseziel erlebt und möchte euch meine Lieblingsplätze zeigen. Kommt mit in die Mitte Englands.

Birmingham entdecken – die zweitgrößte Stadt Großbritanniens

Um es vorweg zu nehmen, Birmingham ist größtenteils eine ziemlich hässliche Stadt. Ich fand die Stadt ziemlich schmutzig, mit viel Leerstand und wenig interessantem Einzelhandel. Die Straßen waren heruntergekommen, es gab sehr viele Obdachlose und 1-2 Schlägereien pro Tag. Alle haben mir empfohlen, das Jewellery Quarter zu besuchen, eines der ältesten und schönsten Viertel der Stadt. Dort waren die Häuser zwar prächtiger, aber es gab vor allem sehr teure Juweliergeschäfte zu bestaunen, die den Kontrast zur Armut noch verstärkten. Doch überall kann man schöne und sehenswerte Ecken entdecken, ich zeige Euch meine Lieblingsorte in Birmingham. Den Kirchen und Museen des 19. Jahrhunderts habe ich sogar einen gesonderten Artikel gewidmet.

Birmingham Sehenswürdigkeiten, Midlands Sehenswürdigkeiten
Die City of Birmingham bekommt keinen Schönheitspreis, doch für Kulturinteressierte gibt es dort viel zu entdecken.

Library of Birmingham mit einem geheimen Garten

Die moderne Bibliothek ist sowohl von außen als auch von innen ein architektonisches Meisterwerk und auf jeden Fall einen Besuch wert. Aus der Ferne erinnert das Gebäude an riesige Legosteine, die goldene Kuppel hat etwas Sakrales. Die Bibliothek beherbergt über 40.000 Bücher, darunter die ältesten und teuersten Shakespeare-Ausgaben, von denen einige gelegentlich im Shakespeare Memorial Room ausgestellt werden.

Aber auch für Nicht-Buchliebhaber lohnt sich ein Besuch der Bibliothek. Denn das Gebäude verfügt über einen wunderschönen Dachgarten mit geschwungenen Wegen, vielen Pflanzen und Rosen, versteckten Sitzecken und einem herrlichen Blick über die Stadt. Der Dachgarten ist auch ein perfekter Picknickplatz, denn viele Bewohner verbringen hier ihre Mittagspause. Speisen und Getränke können mitgebracht werden, man muss sich nur ein schönes Plätzchen suchen.

Library of Birmingham, Centenary Square
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9.00 – 21.00 Uhr; Samstag 11.00 – 19.00 Uhr

Museen und Kirchen mit Kunstwerken der Präraffaeliten

Der Grund für meine Reise nach Birmingham waren die Präraffaeliten und die Arts and Crafts Bewegung, zwei Kunstrichtungen, die in Birmingham ihren Ursprung haben. Auf der Suche nach den Präraffaeliten in Birmingham war ich im Paradies. Neben zwei Museen und zwei Kirchen mit präraffaelitischen Glasfenstern gibt es in der Nähe von Birmingham auch ein Herrenhaus, das ausschließlich von Künstlern der Arts and Crafts Bewegung eingerichtet wurde. Über die Präraffaeliten und Arts and Crafts in Birmingham habe ich allerdings schon einen Artikel verfasst. Dort findet Ihr meine Empfehlungen für alle Liebhaber dieser Kunstrichtungen.

Moseley Old Hall – die Zuflucht eines Königs

In meinem Artikel über die Präraffaeliten habe ich ein Besuch des Herrenhauses Wightwick Manor in Wolverhampton bei Birmingham empfohlen. Nördlich von Wolverhampton liegt ein weiteres sehenswertes englisches Herrenhaus, Moseley Old Hall. Moseley Hall wäre nur eines von vielen englischen Herrenhäusern, denn Burgen und Schlösser findet man auf der Insel in jedem Winkel des Landes. Doch in diesem Herrenhaus residierte einst sogar der englische König. Im englischen Bürgerkrieg kämpften die Royalisten unter König Charles II. gegen den Republikaner und Protestanten Oliver Cromwell. Der König verlor die Schlacht von Worcester und floh. Er fand zunächst Zuflucht in der White Ladies Priory und später im Herrenhaus Moseley Old Hall. Als er im Schloss ankam, war der König schon mehrere Tage auf der Flucht. Er war verwundet, durchnässt und völlig erschöpft, und hier erhielt er trockene Kleidung, anständiges Essen und sein erstes richtiges Bett seit der Schlacht. Der Besitzer von Moseley Old Hall, der Parlamentsabgeordnete Thomas Whitgrave, war königstreu und gewährte Charles II. Unterschlupf. Von dort aus begab sich der König gestärkt ins Exil nach Frankreich.

Genaue Informationen über die Schlacht und die Flucht des Königs verdanken wir heute dem Chronisten und begnadeten Tagebuchschreiber Samuel Pepys. Denn König Charles diktierte ihm seine Memoiren und beschrieb seine Flucht und seinen Aufenthalt in Moseley Old Hall sehr genau.

Moseley Old Hall Lane, Wolverhampton WV10 7HY
Öffnungszeiten: In den Sommermonaten täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr, in den Wintermonaten Freitag bis Montag 10.00 bis 17.00 Uhr

Die Ruine der White Ladies Priory

Ich liebe Ruinen, vor allem wenn sie so einsam und weit weg von jeder Ortschaft liegen wie die White Ladies Priory. Obwohl wir die White Ladies Priory im Sommer besuchten, waren wir die einzigen Besucher. Die Ruine ist magisch. Sie liegt verlassen am Waldrand, umgeben von Feldern. Es ist ein wunderbar verwunschener Ort, an den sich kaum jemand verirrt und um den sich viele Legenden ranken.

Ruinen gehören auch zu meinen liebsten Picknickplätzen und hier konnte ich mein Picknick in aller Ruhe genießen. Wir haben den Sonnenuntergang beim Picknick bewundert und es war der romantischste Picknickplatz der Reise.

Die Abtei wurde im 12. Jahrhundert erbaut, aber an dieser Stelle soll es schon viel früher ein Kloster gegeben haben. Berühmt wurde die Abtei als Zufluchtsort von König Charles II., denn bevor er sich in Old Molesley Hall versteckte, suchte er in dieser Abtei Zuflucht.

Sagen und Legenden um die White Ladies Priory

In der Abtei lebten Augustinerinnen, die eine weiße Kutte trugen, daher der Name White Ladies Priory. Mit Geistern und spukenden weißen Damen hat der Name nichts zu tun. Dennoch ist die ehemalige Abtei ein sagenumwobener Ort, an dem es spuken soll.

Zufluchtsort von Guinevere

Die älteste Legende über das White Ladies Priory stammt aus der Zeit von König Artus. Nach dem Tod von König Artus soll seine Frau Guinevere Zuflucht in einem Kloster gesucht haben und Nonne geworden sein. Sie soll ein Zuhause in einem kleinen und unbedeutenden Kloster, der White Ladies Priory, gefunden haben.

Leuchtende Marienstatue

Eine andere Legende erzählt, dass die Nonnen eine Marienstatue aus weißem Marmor besaßen. Die Statue soll sie vor Unheil gewarnt haben. Es heißt, die Statue habe geleuchtet, wenn Unheil drohte. So wurden die Nonnen vor Kriegen, Überfällen oder Plünderungen gewarnt und konnten sich verstecken. Der Legende nach leuchtete die Statue zum letzten Mal kurz vor dem Angriff der Soldaten Heinrichs VIII. Dieser löste die Abtei auf. Die Statue ist seit dem verschollen.

Quelle: British Ghosts and Hauntings

Spuk in der White Ladies Priory

In Großbritannien gibt es eine wahre Geisterplage. Jedes alte Gebäude wird von Geistern heimgesucht, natürlich auch die White Ladies Priory. Viele Besucher sollen von Chorgesängen berichtet haben. Andere Besucher sollen sogar Nonnen oder Lichtgestalten gesehen haben.

Quelle: The Sun

GPS: 52° 39′ 56.52″ N, 2° 15′ 30.24″ W

Much Wenlock – das perfekte britische Dorf in den Midlands

Es ist ein Dorf wie aus dem Fernsehen, ich habe mich ein bisschen in Much Wenlock verliebt. Der Ort hat nur ca. 2.500 Einwohner und ist trotzdem unglaublich lebendig mit einem wunderbar individuellen Einzelhandel und vielen Gastronomiebetrieben. Es gibt 3 Cafés und 5 Pubs, vergleichbare Orte in Deutschland haben nichts dergleichen. Ich war begeistert von der riesigen Buchhandlung und einem Antiquitätengeschäft, in dem ich wunderschöne Dinge gekauft habe. Es gibt mehrere Läden mit Haushaltswaren und Geschenkartikeln, einen Unverpackt-Laden, ein Museum und einen überdachten Marktplatz. Much Wenlock ist ein altes Fachwerkdorf, die Häuser sehen malerisch und schief aus. Viele der Häuser stammen aus dem 15. und 16. Es ist ein charmantes Dorf, das natürlich auch gerne von Touristen besucht wird. Ich habe meinen Aufenthalt in Much Wenlock sehr genossen.

typisches englisches Dorf Much Wenlock
Much Wenlock ist das perfekte britische Dorf – herzlich und idyllisch.

Wenlock Edge – der sagenumwobene Klippenweg

Nur wenige Wanderwege in Großbritannien sind so geheimnisvoll und sagenumwoben wie der Weg entlang der Wenlock Cliffs. Es handelt sich um Sandsteinklippen, die sich über eine Länge von fast 30 Kilometern erstrecken. Die Sandsteinklippen sind eine geologische Besonderheit, aber mich faszinieren die Legenden, die sich um die Wenlock Edge ranken. Eine davon handelt vom Geist eines Raubritters, der seinen Schatz bewachen soll. Der Raubritter Ippikin soll im 12. Jahrhundert die Gegend geplündert und den Schatz irgendwo an den steinernen Klippen vergraben haben. Es soll Schatzsucher gegeben haben, die von einer kalten, unsichtbaren Hand die Klippen hinuntergestoßen wurden. Ein weiterer Geist, der in Wenlock Edge sein Unwesen treibt, soll der Geist der elfjährigen Alice Glaston sein. Sie war das jüngste Kind, das jemals in Großbritannien gehängt wurde. Für welches Verbrechen sie bestraft wurde, ist heute nicht mehr bekannt. Eine Wanderung entlang der Wenlock Edge kann gefährlich sein, besonders an nassen, nebligen Tagen. Denn viele Wegabschnitte sind von Felsen und Bäumen gesäumt, manchmal fühlt man sich wie in einem dunklen Tunnel. Wir sind an einem bewölkten Vormittag auf einem der Wege gejoggt und einige Abschnitte waren schaurig schön.

Quelle: Country Living, Oktober 2024

Wenlock Priory – düstere und wunderschöne Ruinenromantik

Die Abteiruine von Much Wenlock gehört zu den schönsten Klosterruinen, die ich bisher gesehen habe. Die Klosteranlage ist sehr groß, es gibt mehrere Ruinen, darunter die imposante gotische Kirche. Die Wenlock Abbey ist sehr alt, sie soll schon um 680 n. Chr. gegründet worden sein. Die erste Äbtissin soll die Adelige Milburga gewesen sein. Ihre Gebeine sollen im 12. Jahrhundert in der Abtei gefunden worden sein. Milburga wird bis heute als Heilige verehrt. Seit dem 10. Jahrhundert gab es in Wenlock ein Doppelkloster, in dem sowohl Mönche als auch Nonnen lebten – eine Seltenheit im Mittelalter. Die Ruinen der Wenlock Priory sind heute eine Touristenattraktion, wo man viele Besucher trifft. Obwohl es sich um Ruinen handelt, muss man für die Besichtigung von Wenlock Priory Eintritt bezahlen, aber der Besuch lohnt sich. Sehr zu empfehlen ist auch der kostenlose Audioguide, mit dem man viel über die Geschichte und das Leben im Kloster erfährt.

Wenlock Priory, 5 Sheinton Street, Much Wenlock TF13 6HS
Öffnungszeiten: täglich 10.00 bis 17.00 Uhr

Klosterruine in den Midlands - Wenlock Priory, Ruinenromantik in den Midlands

Übernachtungsempfehlung in Much Wenlock – The Talbot Inn

Ich empfehle gerne einzelne Hotels und B&B’s, daher hier noch eine Übernachtungsempfehlung für Much Wenlock. Mitten im Ort gibt es einen Gasthof aus dem 13. Jahrhundert, der schon seit über 600 Jahren als Gasthaus genutzt wird. Das Talbot Inn ist ein klassischer englischer Gasthof mit 4 Gästezimmern. Die Zimmer sind geräumig und schön eingerichtet, es gibt ein gutes Frühstück und einen kostenlosen Parkplatz. Im Pub gibt es klassisches, aber wenig aufregendes Pub-Food und eine große Auswahl an hervorragenden Bieren und Ales.

Benthall Hall

Nur wenige Kilometer von Much Wenlock entfernt liegt das prächtige Herrenhaus Benthall Hall – die Heimat von Enola, Sherlock und Mycroft Holmes. …. zumindest in den Netflix-Verfilmungen. Das malerische Anwesen inmitten der Midlands ist aber nicht nur ein bekannter Drehort, sondern auch ein sehenswertes Schloss mit einem wunderschönen Garten. Wir sind von Much Wenlock nach Benthall Hall gewandert und es war eine sehr abwechslungsreiche, leichte Wanderung.

Über Benthall Hall

Das Schloss ist ein elisabethanisches Herrenhaus, das 1535 erbaut wurde, aber an der Stelle des Herrenhauses soll bereits im Mittelalter eine Burg gestanden haben. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1250, als die Burg im Besitz von Philip de Benthall war und zu den Ländereien von Wenlock Abbey gehörte. Das Anwesen blieb bis 1845 im Besitz der Familie de Benthall. Danach hatte die Familie keine Erben mehr. Im Jahr 1918 kaufte Charles Benthall von einem anderen Zweig der Familie Benthall Hall zurück. Obwohl Teile des Schlosses vom National Trust verwaltet werden, befindet es sich immer noch im Besitz der Familie und wird zeitweise bewohnt.

Wie in vielen britischen Schlössern kann man auch in Benthall Hall die Innenausstattung vergangener Epochen bewundern. Im Erdgeschoss ist die traditionelle Einrichtung eines Herrenhauses aus dem 16. und 17. Jahrhundert mit schweren, dunklen und geschnitzten Möbeln zu sehen. Im ersten Stock kann man einen Teil der Privaträume der Familie besichtigen. Diese sind ebenfalls mit antiken Möbeln ausgestattet, jedoch eher aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Für mich ist es ein Traum, die Einrichtung englischer Schlösser zu bewundern, denn in Deutschland sieht man leider viel zu oft leere Gemächer.

Benthall Hall, Broseley TF12 5RX
Öffnungszeiten: In den Wintermonaten Dienstag und Mittwoch und Freitag bis Sonntag 12.30 bis 16.30 Uhr; in den Sommermonaten bis 17.30 Uhr

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In „Enola Holmes“ sah das Schloss Benthall Hall verwunschener aus, doch es ist ein absolut sehenswertes Anwesen.

Bücher und Filme zum heutigen Artikel*

Im Abschnitt über das Herrenhaus Moseley Old Hall habe ich erwähnt, dass Samuel Pepys die Memoiren von König Charles II. niedergeschrieben hat. Diese Tagebücher kann man auch heute noch lesen, und es lohnt sich! Denn Samuel Pepys berichtet sehr amüsant und unterhaltsam über seinen Alltag und das Weltgeschehen.

Samuel Pepys: Die Tagebücher 1660-1669 – Vollständige Ausgabe in 6 Bänden
Samuel Pepys: Das geheime Tagebuch (die Kurzversion)
Enola Holmes (Netflix-Verfilmung)
Enola Holmes: Der Fall des verschwundenen Lords

Mehr Ausflugsziele und Sehenswürdigkeiten der Midlands

Übernachten im Schlosshotel bei Birmingham

Nostalgische Restaurants in Birmingham

Präraffaeliten in Birmingham und Umgebung

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Erstellt am April 14, 2025

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