Die Präraffaeliten gehören zu meinen Lieblingskünstlern, ich liebe ihre Werke und suche diese gerne auf meinen Reisen. In Birmingham und den West Midlands gibt es viele Orte, an denen man die wunderbaren Kunstwerke der Präraffaeliten bewundern kann, Gemälde in Museen und Glasfenster in Kirchen. Das Highlight für mich war jedoch ein Herrenhaus, in dem die gesamte Inneneinrichtung von Künstlern und Handwerkern der Arts and Crafts-Bewegung gestaltet wurde. Im heutigen Artikel nehme ich Euch mit nach Birmingham und Woolverhampton, denn dort gibt es viele wunderbare Werke der Arts and Crafts-Bewegung zu sehen.
Wer diesen Artikel liest, kennt und liebt wahrscheinlich die Werke der Präraffaeliten. Das freut mich, denn in Deutschland sind die Werke von Rossetti, Morris, Waterhouse oder Millais so gut wie unbekannt. Obwohl es in ganz Europa ähnliche Kunstströmungen gab, sind die Präraffaeliten eine rein englische Bewegung. Im 19. Jahrhundert war in ganz Europa der Historismus modern, ein verklärtes Mittelalter und die Renaissance waren die Vorbilder, aber die Kunstwerke, die Architektur waren perfekter, filigraner und farbenfroher als die Originale. Alte Meister wie Botticelli oder Raffael dienten als Vorbilder, daher der Name Präraffaeliten. Dargestellt wurden neben kirchliche Themen, vor allem Szenen aus Literatur und Mythologie. Ästhetisch lassen sich die Präraffaeliten am ehesten mit den deutschen Nazarenern vergleichen, thematisch nicht. Die Präraffaeliten das sind Maler, aber die Strömung umfasst auch das Kunsthandwerk, die Arts and Crafts-Bewegung. Hier wird das Handwerk zur Kunst erhoben, es ist eine Abkehr von der lieblosen industriellen Massenproduktion. Die Suche nach der Schönheit der Welt und der Natur war die Inspiration der Epoche.
Birmingham ist ein Zentrum der Präraffaeliten, denn die Birmingham School of Art war im 19. Jahrhundert ein führendes Zentrum der Arts and Crafts-Bewegung, zu der auch die Präraffaeliten gehörten. 1821 wurde in Birmingham im Jewellery Quarter die Royal Birmingham Society of Artists gegründet, die später zur einflussreichsten Kunstbewegung der viktorianischen Ära wurde. Zu den Präsidenten der Royal Birmingham Society of Artists gehörten die bekanntesten präraffaelitischen Künstler wie Edward Bourne-Jones, John Everett Millais oder William Morris. Diese Künstlervereinigung gründete die Birmingham School of Arts, an der zahlreiche Künstler der Arts-and-Crafts-Bewegung ausgebildet wurden. Der Vereinigung verdanken wir die Vielfalt der präraffaelitischen Werke rund um Birmingham.
Auch der Royal Birmingham Society of Artists ist dieses Museum zu verdanken, denn sie hat es gegründet. Das Gebäude selbst ist ein Kunstwerk der Industriearchitektur. Das Museum zeigt Kunstwerke vom 14. bis zum 21. Jahrhundert, wobei der Schwerpunkt auf den Präraffaeliten liegt. Die weltweit größte Sammlung von Werken des Künstlers Edward Bourne-Jones befindet sich in Birmingham. Aber nicht nur Künstler des 19. Jahrhunderts sind hier zu bewundern, sondern auch viele berühmte Künstler anderer Epochen, darunter Rubens, Botticelli oder Canaletto. Hinzu kommen antike Gebrauchsgegenstände und Kostbarkeiten aus aller Welt. Das Museum ist so groß, dass man den ganzen Tag dort verbringen kann.
Birmingham Museum and Art Gallery, Öffnungszeiten: Mittwoch – Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Montag und Dienstag geschlossen
Neben den bekannten Präraffaeliten wie Rosetti, Millais oder Bourne-Jones findet man in der Birmingham Art Gallery auch weniger bekannte Werke der Bruderschaft.
Das kleine, aber hochkarätige Museum auf dem Universitätscampus von Birmingham beherbergt die Sammlung von Sir William Henry Barber. Das Museum zeigt einen Querschnitt der bekanntesten Künstler der Kunstgeschichte, die Präraffaeliten sind nur mit 2-3 Werken vertreten. Bis zum 26. Januar 2025 ist dort jedoch eine Präraffaeliten-Ausstellung „Scent and the Art of the Pre-Raphaelites“ zu sehen. Ich fand die Sammlung des Barber Museums großartig, weil es so viele wunderbare Kunstwerke unter einem Dach zeigt. Das Museum zeigt nicht nur ein paar Highlights, dort ist jedes Werk ein kleines Highlight. Man kann zum Beispiel William Turner, James Whistler, Pierre Auguste Renoir oder Vincent Van Gogh bewundern, aber auch deutsche Künstler wie Max Pechstein oder Lovis Corinth.
The Barber Institute of Fine Arts, Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag, 10.00 bis 17.00 Uhr
Im Barber Institute findet man nicht nur Präraffaeliten, sondern auch viele andere berühmte Künstler.
Die Kathedrale von Birmingham ist eine Barockkirche im Zentrum der Stadt. Von außen sehen die Fenster sehr unscheinbar aus, aber vier von ihnen sind das gemeinsame Werk zweier Arts and Crafts Künstler. Sie wurden von dem Maler Edward Bourne-Jones entworfen und von dem Designer und Kunsthandwerker William Morris bzw. seiner Firma Morris & Co. hergestellt. Bourne-Jones und Morris waren fast ihr ganzes Leben lang befreundet und schufen viele gemeinsame Werke. Die Motive der Fenster sind so schön, die Farben so kraftvoll und ausdrucksstark, dass ich mich gar nicht satt sehen konnte. Ich habe schon einige Fenster von Morris & Bourne-Jones gesehen, aber diese gehören zu den schönsten.
Adresse: Birmingham Cathedral, Cathedral Square, Colmore Row, Birmingham B3 2QB
Öffnungszeiten: Montag – Freitag 7.30 bis 18.30 Uhr, Samstag und Sonntag 8.30 bis 17.00 Uhr
Ebenfalls im Stadtzentrum, in der Nähe des Hauptbahnhofs von Birmingham, befindet sich der Marktplatz „The Bull Ring“. Mitten auf dem Marktplatz steht die Kirche St. Martin …in the Bull Ring, wie die Kirche korrekt heißt. Auch diese eher kleine Kirche im neugotischen Stil beherbergt ein präraffaelitisches Glasfenster, wieder ein Gemeinschaftswerk von Edward Bourne-Jones und William Morris. Im Gegensatz zu den farbenfrohen Fenstern der Birmingham Cathedral sind die Motive dieses Fensters eher in gedeckten Farben gehalten. Dennoch sind die Darstellungen filigran und wunderschön, sie wirken mittelalterlicher und ursprünglicher. Es ist eines der ersten Fenster, die Morris und Bourne-Jones gemeinsam schufen. Dargestellt sind die Verkündigung, die Geburt, die Kreuzigung und das Begräbnis Jesu. Darüber sind die Propheten Moses, Elia, Melchisedek, David und Salomo zu sehen. Am oberen Ende des Fensters thront Jesus mit den vier Evangelisten.
Adresse: Bull Ring, Edgbaston St, Birmingham B5 5BB
Öffnungszeiten: Dienstag – Samstag 12.00 bis 17.00 Uhr, Sonntag 9.30 bis 16.00 Uhr
Wightwick Manor ist ein Herrenhaus, dessen Inneneinrichtung ausschließlich von Präraffaeliten gestaltet wurde – ein Paradies für Liebhaber der Arts & Crafts-Bewegung. Das Herrenhaus liegt nicht in Birmingham, sondern im benachbarten Wolverhampton. Da die beiden Städte jedoch direkt aneinander grenzen, werden sie heute als eine Stadt betrachtet. Obwohl das Herrenhaus wie ein altes elisabethanisches Fachwerkhaus aussieht, wurde es erst Ende des 19. Jahrhunderts erbaut. Der Erbauer war Theodor Mander, ein sehr wohlhabender Industrieller aus Wolverhampton. Er ließ Wightwick Manor für sich und seine Familie errichten. Als Theodor Mander 1900 unerwartet verstarb, übernahm sein Sohn Geoffrey das Anwesen und führte es in der Tradition der Arts- and Crafts-Bewegung fort.
Fast die gesamte Einrichtung des Hauses stammt von William Morris und seinen Zeitgenossen. Neben Drucken, Tapeten, Teppichen, Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen, die von William Morris entworfen und in seiner Manufaktur Morris & Co. hergestellt wurden, sind Werke seiner Freunde aus der Präraffaeliten-Bruderschaft zu sehen, darunter Gemälde und Zeichnungen von Gabriel Dante Rossetti, Edward Bourne-Jones, aber auch einige der seltenen Werke des Präraffaeliten-Modells Elizabeth Siddal, Zeichnungen der Dichterin Christina Rossetti oder von William Morris‘ Tochter May Morris. Das Haus ist ein Meisterwerk der Schönheit.
Die Malthouse Gallery gehört zum Anwesen, befindet sich jedoch nicht im Herren- sondern im Malzhaus nebenan. Doch auch dort sollte man unbedingt reinschauen, denn auch hier werden präraffaelitische Kunstwerke gezeigt. In der Malthouse Gallery kann man die Keramiken von William De Morgan und die Gemälde seiner Ehefrau Evelyn De Morgan bewundern. Auch sie gehörten zum Kreis der Präraffaeliten und waren befreundet mit den anderen Mitgliedern der Bruderschaft.
Nicht zu vergessen ist der herrliche Garten des Anwesens. Auch der üppige Garten von Wightwick Manor wurde im Arts and Crafts-Stil angelegt. Der englische Landschaftsmaler und Gartengestalter Alfred Parson und der Arts-and-Crafts-Gartengestalter Thomas Mawson entwarfen die Gartenanlage. Es ist der perfekte englische Garten, der aus verschiedenen „Räumen“ besteht, von denen jeder anders gestaltet ist. Terrassen und Hecken sorgen für Neugier und Abwechslung und vermitteln ein Gefühl von Weite. Verschiedene Rosen sind überall zu finden, aber auch an eine großzügige Nutzfläche wurde gedacht.
Wightwick Manor, Wightwick Bank, Wolverhampton WV6 8EE
Öffnungszeiten: täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr
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