Wo gibt es die längste Straßenbahnlinie der Welt? An der belgischen Küste! Belgien hat eine recht kurze Küste, die nur etwa 80 Kilometer lang ist. Trotzdem gibt es an der belgischen Küste viele historische Sehenswürdigkeiten und Ausflugsziele. Die belgischen Küstenorte sind bei Touristen sehr beliebt. Sie sind sehr unterschiedlich, jeder hat seinen eigenen Charme. Im Zweiten Weltkrieg wurde Belgien stark zerstört, vor allem die Küstenstädte litten sehr. Der Wiederaufbau hat nicht nur Schönheit hervorgebracht. Aber die belgische Küste hat viel mehr als Hochhäuser mit Ferienwohnungen zu bieten. Ich war schon einige Male an der belgischen Küste und habe viele schöne und sehenswerte Ecken entdeckt. Heute möchte ich Euch die historischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten der belgischen Küste zeigen. Das Beste ist, dass man all diese Orte mit der Kusttram, der Straßenbahn, die entlang der belgischen Küste fährt, erkunden kann. Nur für einen Ausflug nach Frankreich habe ich mir ein Fahrrad ausgeliehen.
Bei Knokke-Heist bin ich etwas zwiegespalten, denn die Stadt und vor allem die Strandpromenade sind sehr schön. Der Strand ist in eine malerische Dünenlandschaft eingebettet. Wer weißen Sand liebt, wird auch Knokke-Heist lieben. Aber als ich dort war, fühlte ich mich wie im Monaco Russlands. Die Restaurants waren voll mit russisch sprechenden Touristen, Herren mit Goldkettchen und Zigarre und Damen mit Nacktschneckenlippen, die Champagner tranken. Die Straßen waren mit sehr großen Autos zugeparkt, und auch die Geschäfte hatten sich dem Publikum angepasst. Knokke-Heist könnte sehr schön sein, ich fand es nicht charmant. Doch ich war vor dem Russland-Ukraine-Krieg dort, vielleicht hat sich jetzt etwas verändert.t hat sich jetzt etwas geändert.
De Haan ist mein Lieblingsort an der belgischen Küste. Ich vermute, dass De Haan im Krieg nicht zerstört wurde, denn die Stadt ist voller schöner Jugendstilhäuser. Statt liebloser Hochhäuser gibt es hier viele nostalgische Häuser und alte Villen. Der Bau von De Haan inmitten der Dünen wurde erst 1889 von König Leopold II. angeordnet. Die Auflagen waren streng: Die Häuser mussten im anglo-normannischen Stil gebaut werden, frei stehen, von Gärten umgeben sein und durften eine festgelegte Höhe nicht überschreiten. Die Stadtplanung von damals zahlt sich heute aus. Es ist ein Genuss, durch die Stadt zu flanieren und die Häuser zu betrachten. Aber auch die Gastronomie und der Einzelhandel können sich sehen lassen.
Oostende ist für mich eine Hassliebe, aber es ist die kulturelle “Hauptstadt” und die größte Stadt an der belgischen Küste, also auf jeden Fall einen Besuch wert. Die Schönheit muss man suchen, aber man kann sie finden. Mehrere Jahre hintereinander habe ich ein Festival in Ostende besucht, daher kenne ich die Stadt ziemlich gut. Während meine Freunde schon mittags auf dem Festivalgelände waren, habe ich die Stadt und die Küste erkundet und die Musik erst abends genossen.
Sowohl an der Küste als auch in der Stadt findet man einzelne Jugendstilhäuser, manchmal sogar ganze Straßenzüge aus der Jahrhundertwende. Die Promenade mit ihren Arkaden und das Casino erinnern an die mondäne Zeit der Stadt. In Ostende gibt es viel Sehenswertes zu entdecken, besonders empfehlen möchte ich zwei Kunstmuseen.
Zunächst möchte ich sagen, dass der Symbolismus und der Surrealismus zu meinen liebsten Kunstepochen gehören. Einige der besten Künstler dieser Epochen stammen aus Belgien. James Ensor (1860-1949) ist einer der bedeutendsten belgischen Maler, dessen Werke in Museen auf der ganzen Welt zu finden sind. Obwohl sein Werk alle Gattungen von der Landschafts- und Porträtmalerei bis zur Karikatur und sakralen Kunst umfasst, ist er vor allem für seine Gemälde mit Masken oder Skeletten bekannt. James Ensor verbrachte sein ganzes Leben in Ostende, wo man sein Wohnhaus und sein Museum besichtigen kann. Das Ensorhaus besteht aus dem Wohnhaus des Künstlers und einem angrenzenden Museum, in dem einige seiner Werke ausgestellt sind. Wer das Ensorhaus vor einigen Jahren besucht hat und damals “nur” ein Wohnhaus sah, sollte es jetzt noch einmal besuchen. Der Museumsteil ist nämlich neu gebaut und sehr interessant und interaktiv.
Das Museum für Moderne Kunst habe ich erst bei meinem dritten Besuch in Ostende entdeckt, aber es lohnt sich. Es zeigt belgische Kunst seit Beginn des 20. Jahrhunderts, natürlich mit Werken von James Ensor, Paul Delveaux oder Constant Perkeme. Als ich dort war, habe ich eine Sonderausstellung über Anna Boch gesehen, eine unglaublich spannende belgische Impressionistin, die ich bis dahin nicht kannte. Anna Boch war nicht nur Malerin, sondern auch Galeristin und Mäzenin. Vincent van Gogh hatte zu Lebzeiten keinen Erfolg, er verkaufte nur ein einziges Bild – Anna Boch kaufte es. Was für eine Visionärin! Sie organisierte Ausstellungen z.B. für Paul Gauguin und kaufte Bilder von Georges Serault oder Paul Signac. Das Museum war ein Überraschungsfund mit hochkarätiger Kunst.
Etwas abseits des Stadtzentrums, in direkter Strandnähe, liegt die von Napoleon Bonaparte erbaute Militärfestung. Das Festungsmuseum erzählt von den kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahrhunderte. Besonders reizvoll ist die Gastronomie mit Blick aufs Meer.
Vom Fischmarkt in Oostende fährt mehrmals täglich eine kostenlose Fähre. Diese ist ideal, um zum Beispiel das Fort Napoleon zu erreichen. Aber auch ohne Fort lohnt sich ein Ausflug ans Ostufer mit seinem schönen Strand und dem kleinen Hafen mit Gastronomie und Fischständen.
Die neugotische Kirche ist prächtig und wirkt “echt” gotisch. Doch es ist ein Bauwerk aus de 19. Jahrhundert. Der Stil ist an den Kölner Dom angelehnt – die Ähnlichkeit ist unübersehbar. Im Inneren sind besonders die Glasfenster sehenswert, welche die belgischen Könige und die einzige Königin Louise Marie zeigen. Neben der Kirche befindet sich eine Grabkapelle mit dem Grab von Königin Louise Marie, die in Ostende gestorben ist. Leider ist diese Kapelle meistens geschlossen, die Öffnungszeiten konnte ich nicht herausfinden.
Ein Besuch in Middelkerke ist kein Muss, wenn man mit der Kusttram die belgische Küste erkundet. Aber wenn man schon einmal in Middelkerke ist, sollte man unbedingt das kleine Museum Villa les Zephyrs besuchen. Denn in der Jugendstilvilla kann man nicht nur die Einrichtung aus der Jahrhundertwende bewundern, sondern auch moderne Kunst. Der Eintritt ist frei.
Nieuwpoort hat mir vor allem wegen der schönen Einkaufsstraße gefallen, da ich dort viele kleine und individuelle Geschäfte abseits der Massenware und des touristischen Schnickschnacks gefunden habe. Als Einkaufsstadt fand ich Nieuwpoort etwas netter als andere Orte an der belgischen Küste.
Koksijde war für mich ein Glücksfund, nicht wegen der Stadt, sondern weil ich dort sowohl eine verfallene Klosterruine als auch das Museum eines meiner Lieblingssurrealisten besuchen konnte. Willkommen in meiner Welt.
Das Kloster wurde um 1107 von Benediktinermönchen gegründet, die sich aber schon 1139 dem Zisterzienserorden anschlossen. Das Kloster Onze Lieve Vrouv Ten Duinen war eines der ersten Zisterzienserklöster in Flandern und unterstand direkt der Abtei Citeaux, dem Mutterkloster der Zisterzienser. In den folgenden Jahrhunderten war Ten Duinen eine sehr wohlhabende Abtei. Erst in der Reformationszeit wurde sie von protestantischen Bilderstürmern besetzt und niedergebrannt und später von den niederländischen Bettlerfreiheitskämpfern, den Geusen, geplündert und zerstört. Neben der Klosterruine befindet sich ein sehr informatives Klostermuseum. Hier erfährt man viel über die Geschichte und Entwicklung der Klöster in Europa, über die Ordensgemeinschaften und das Leben im Kloster – oft auch mit etwas Humor. Ich kann das Kloster und das Museum sehr empfehlen.
Ich habe bereits erwähnt, dass ich die Kunst des Surrealismus sehr mag. Die Realität der Werke ist etwas “verschoben”, etwas anders als unsere Realität und doch so vertraut. Manche Bilder wirken wie Träume oder Alpträume. Paul Delvaux ist einer der bekanntesten Surrealisten der Welt. Charakteristisch für seine Werke sind nackte Frauen oder Skelette in alltäglichen Szenen. Paul Delvaux lebte mehrere Jahre in Koksijde, und in seinem Haus ist ein kleines, aber feines Museum eingerichtet. Dort kann man nicht nur viele seiner Originalwerke sehen, sondern auch etwas über ihre Entstehung und Bedeutung erfahren. Wer den Surrealismus mag, sollte Paul Delvaux unbedingt einen Besuch abstatten.
Ich muss zugeben, dass ich von De Panne nur den Strand und den Radweg durch die Stadt gesehen habe. Ob De Panne einen Besuch wert ist, kann ich nicht sagen. Ich wollte nämlich weiter nach Frankreich. Die Straßenbahn fährt nur bis De Panne, dort habe ich mir ein Fahrrad ausgeliehen und bin nach Frankreich geradelt. Leider ist der Fahrradweg an der belgischen Küste nicht grenzüberschreitend, er endet in De Panne. Es gibt aber einen markierten Radweg neben der Hauptstraße nach Frankreich. Dieser ist zwar nicht besonders reizvoll, aber in einer halben Stunde ist man in Bray-Dunes in Frankreich.
Ein Besuch in Bray-Dunes lohnt sich nicht, denn außer einer schönen Strandpromenade hat der Ort nichts zu bieten. Ungewöhnlich sind jedoch die zahlreichen Bunker, die sich am Strand zwischen Bray-Dunes und Leffrinckoucke, einem Vorort von Dünkirchen, aneinanderreihen. Einige der Bunker sind begehbar, die meisten mit Graffiti verziert. Früher wurden die Bunker als Kunstprojekte genutzt, jeder Bunker wurde von einem anderen Künstler gestaltet, heute vermischt sich Kunst mit Graffiti. Es ist ein faszinierender und zugleich bedrohlicher Ort. In Richtung Leffinckoucke kann man einen verlassenen Militärstützpunkt bewundern, mit zahlreichen verlassenen Anlagen und Räumen. Es ist nicht ganz ungefährlich, aber ein Abenteuer für jeden Lost-Places-Touristen. Sehenswert ist auch das verfallene, von Algen und Moos überwachsene Wrack eines Kriegsschiffes, das allerdings nur bei Ebbe auftaucht.
Leider gibt es an diesem Abschnitt der französischen Küste keinen Radweg, so dass man ein Stück ins Landesinnere radeln muss. Dafür wird man mit dem schönsten ehemaligen Grenzübergang belohnt. Denn im ehemaligen Grenzhäuschen an der belgisch-französischen Grenze befindet sich heute ein Pralinenladen. Ich bin ein großer Fan offener Grenzen und war begeistert von dieser verbindenden Umnutzung.
Ich hatte ein normales Fahrrad, das letztes Jahr 10 € pro Tag kostete. Ein e-Bike kostet ca. 25 €/Tag. Entlang der Küste gibt es eine Fülle verschiedener Fahrradverleiher.
Das umherreisen mit der Kusttram ist relativ günstig. Eine Erwachsenen-Tageskarte kostet 7,50 € und man kann beliebig oft ein- und aussteigen. Noch günstiger ist ein 3-Tages-Karte, diese kostet 15 €. Eine Einzelfahrt kostet 2,50 €.
Wenn Ihr an der belgischen Küste seid, dann solltet Ihr unbedingt die malerische Altstadt von Brügge Besuchen. Von Oostende sind es keine 30 Kilometer und die Bahn fährt nur 20 Minuten. Ausflugsziele und sehenswerte Orte in Brügge findet Ihr in meinem Artikel Kultur-Wochenende in Brügge – Sehenswerte Museen von Brügge entdecken.
Da Brügge einst zu den reichsten Städten Europas gehörte, lebten dort sehr wohlhabende Kaufleute und der Adel aus ganz Europa. In der Umgebung von Brügge gibt es eine Vielzahl von Schlössern. In meinem Artikel über Schlösser in Brügge und Umgebung zeige ich Euch die schönsten davon.
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