Als begeisterte Friedhofstouristin möchte ich Euch heute einen der interessantesten und sehenswertesten Friedhöfe Europas zeigen, den Highgate Cemetary in London. Der Highgate Friedhof ist schon fast 200 Jahre alt, daher gibt es dort viele alte und verwunschene Gräber zu entdecken. Der Besucher findet verfallene Grabstellen und efeuumrankte Grabskulpturen. Der Highgate Cemetery liegt in einer Gegend, in der wohlhabende und gebildete Bürger und Exilanten lebten, daher findet man hier viele Grabstätten prominenter Toter. Der Friedhof besteht aus zwei Teilen, einem neuen, wo man noch bestattet werden kann, und einem alten, den man nur im Rahmen einer Führung besichtigen kann. Beide Teile sind stimmungsvoll und mystisch und auf beiden findet man viele Promigräber. Der Highgate Cemetery hat mir sehr gefallen, daher möchte ich Euch heute einige Eindrücke zeigen.
Im 19. Jahrhundert war Highgate ein eigenständiges Dorf, das nördlich von London lag, aber dennoch ländlich geprägt war. Highgate liegt auf einem Hügel am Rande des Parks Hampsted Heath und ist auch heute noch von vielen Wäldern und Feldern umgeben. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts siedelten sich in Highgate sehr wohlhabende Persönlichkeiten an. So gibt es in Highgate viele prächtige Villen aus der Gregorianischen Zeit und auch der Friedhof ist entsprechend prunkvoll ausgestattet, mit imposanten Grabmälern und Mausoleen. Auch heute noch wohnen viele Prominente in Highgate, darunter Kate Moss, Christopher Nolan, Pierce Brosnan oder Jude Law.
Der westliche Teil des Highgate Friedhofs „West Cemetery“ ist über 200 Jahre alt. Der Friedhof wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts angelegt. Die berühmtesten englischen Friedhofsarchitekten der viktorianischen Ära waren an der Gestaltung beteiligt, daher wurde Highgate sehr schnell zu einem sehr begehrten Ort für die letzte Ruhestätte. Auf dem alten Teil des Friedhofs befinden sich einige monumentale Mausoleen wohlhabender Persönlichkeiten. Es gibt dort aber auch Katakomben mit alten Särgen, doch diese kann man nicht im Rahmen einer normalen Führung besichtigen. Besonders stimmungsvoll sind die Rotunden mit Privatgruften, die „Egyptian Avenue“ und der „Circle of Lebanon“. Beide sind im damals sehr beliebten orientalischen Stil erbaut.
Ein Besuch des Highgate Cemetery soll Bram Stoker zu einer Vampirgeschichte inspiriert haben. Bei der Besichtigung einer Gruft im Circle of Lebanon soll Stoker menschliche Geräusche in der Nachbargruft gehört haben. Dieses Erlebnis soll seine Phantasie derart beflügelt haben, dass er einen Vampirroman schrieb, der später zum berühmtesten Vampirroman aller Zeiten wurde, DRACULA*.
Zu den berühmtesten Toten des alten Friedhofs Highgate gehört die Familie von Charles Dickens, der Schriftsteller John Glasworthy, der Musiker George Michael, der Maler Lucian Freud und die Familie des Künstlers Gabriel Dante Rossetti samt seiner Schwester, der Poetin Christina Rossetti.
Mein persönliches Highlight war das Grab der Familie Rossetti, denn auch Lizzie Siddal ist hier begraben. Sie war die Muse und das Lieblingsmodel der Präraffaeliten. Auf den Bildern unten sieht man Lizzie auf zwei Gemälden, einem von Gabriel Dante Rossetti und einem von John Everett Millais. Die wunderschöne tote Ophelia kennt Ihr vielleicht? Dante Gabriel ist nicht auf dem Highgate Cemetery begraben, denn sein Grab befindet sich in Kent. Falls Ihr Euch für die Geschichte der Künstlervereinigung der Präraffaeliten und das tragische Schicksal von Lizzie Siddal interessiert, empfehle ich Euch die BBC-Miniserie „Desperate Romantics“*.
Der neue Teil „East Cemetery“ ist im Grunde auch alt, da er nur etwas mehr als 30 Jahre nach dem alten Teil angelegt wurde. Der Highgate Cemetery musste erweitert werden. Natürlich gibt es auch auf dem neuen Teil des Friedhofs wunderschöne alte und verfallene Gräber, aber dieser Friedhof ist ein wenig aufgeräumter, hat nicht den Charme des Vergänglichen. Schließlich wird er noch genutzt.
Hier liegen einige bekannte und interessante Tote. Ich war ganz aufgeregt, einen meiner Lieblingsautoren zu besuchen, Douglas Adams. Er hat z.B. „Per Anhalter durch die Galaxis“* geschrieben. Als ich dann am Grab stand, war ich enttäuscht von der Schlichtheit und Schmucklosigkeit des Grabsteins. Ich habe erwartet, dass etwas wie „So long, and thanks for all the fish“ auf dem Grabstein steht würde oder dass zumindest eine „42“. Nein, auf dem Grabstein stehen nur der Name und die Daten. Das meistbesuchte Grab dürfte das von Karl Marx sein. Denn vor dem Grab von Marx stehen oft Gruppen von chinesischen Touristen, die vor dem Grab niederknien, salutieren oder rote Nelken niederlegen.
Welchen Promi kann man sonst noch auf dem Highgate Cemetery besuchen? Zu den bekanntesten Promis auf dem East Cemetery gehören Schriftstellerinnen George Eliot und Alice Ekert-Rotholz und der Schriftsteller Allan Silliote.
Was wäre ein britischer Friedhof ohne Gespenster! Sämtliche historische Orte in Großbritannien werden von Geistern frequentiert, denn auf der Insel ist die Geisterdichte einfach sehr viel höher als im restlichen Europa. Natürlich gibt es zahlreiche Spukgeschichten über den Highgate-Friedhof. Angeblich hört man auf dem Friedhof oft unmenschliches Geschrei oder Glocken läuten, obwohl niemand läutet. Eine schwebende Nonne oder eine gleitende, undefinierbare Gestalt wurden schon gesehen. Eine Frau in weißem Kleid soll nachts umherirren und Männer in roten Roben sollen dunkle magische Rituale vollziehen. Der viktorianische Friedhof ist so düster und atmosphärisch, dass er seit mehr als 100 Jahren die Fantasie der Menschen beflügelt. Und wenn es irgendwo in London spukt, dann ganz bestimmt auf dem Highgate Cemetery. Schließlich hörte selbst Bram Stoker Geräusche in den Mausoleen.
Die Legende vom Highgate-Vampir hält sich bis heute. Obwohl noch niemand dem Highgate-Vampir begegnet ist, hält sich die Legende hartnäckig, ähnlich wie die Legende vom Monster von Loch Ness. In den 60-er Jahren tauchten die ersten Berichte über eine Sichtung einer großen und dunklen Gestalt mit leuchtenden Augen auf. Die Sichtungen der Gestalt häuften sich und viele Zeitungen berichteten darüber. In den 70-er Jahren brach auf dem Highgate Friedhof ein Vampir-Fieber aus, als zwei selbsternannte Vampirjäger eine rivalisierende Vampirjagd begannen. Mehr als 100 Menschen schlossen sich der Vampirjagd an. Am 13. März 1970 artete die Jagd in eine Massengrabschändung aus. Gräber wurden geöffnet, Leichen ausgegraben, geköpft und verbrannt. Die Polizei brauchte Tage, um die Vampirjagd unter Kontrolle zu bringen.
Unzählige Filme wurden schon auf dem Highgate Cemetery gedreht. Mehrere Verfilmungen der Hammer-Studios spielten dort, darunter „Das Blut von Dracula“ mit Christopher Lee oder „Dracula braucht frisches Blut“ mit Christopher Lee und Peter Cushing. Beide Filme wurden stark von dem Vampirjagdfieber der 70-er Jahre beeinflusst.
Einige Szenen aus dem Film „Hampstead Park – Aussicht auf Liebe“ mit Diane Keaton und Brendan Gleeson wurden auf dem Friedhof gedreht. Schließlich liegt dieser unweit des Hampstead Anwesens.
In dem Film „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ gibt es einen Showdown auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise. Diese Szenen wurden jedoch auf dem Highgate Cemetery gedreht.
Bei einer der neueren Verfilmungen von „Das Bildnis des Dorian Grey“ aus dem Jahre 2009 taucht immer wieder der Friedhof auf.
Nicht nur Filme, sondern auch Bücher, Romane, Krimis und Schauerromane spielen auf dem Highgate Cemetery. Die verwunschene, fast unheimliche Atmosphäre des Friedhofs hat viele Autoren inspiriert. Hier eine kleine Auswahl von Büchern, die mir sehr gefallen.
Ein Buch, das fast ausschließlich auf dem Highgate Friedhof spielt ist „Das Graveyard Buch“ von Neil Gaiman. Es erzählt die Geschichte eines Jungen, der auf dem Friedhof von Geistern erzogen wird.
Eins meiner Lieblingsbücher ist „Schlaf, schöne Schwester“ von Joanne Harris. Das Buch ist wie ein prärafaelitisches Gemälde, schön und düster zugleich.
In „Die Forsyte Saga“ von John Glasworthy befand sich auf dem Highgate Friedhof die letzte Ruhestätte der Familie Forsyte.
Audrey Niffenegger erzählt eine den Tod überdauernde Liebesgeschichte eines Historikers, der auf dem Highgate Friedhof arbeitet, in dem Buch „Die Zwillinge von Highgate“.
Die Autorin Tracey Chevalier hat vor ihrer Karriere als Buchautorin als Führerin auf dem Highgate Friedhof gearbeitet. Der Friedhof hat bestimmt sehr viele ihrer Werke beeinflusst. In dem Roman „Wenn Engel fallen“ spielt der Friedhof jedoch eine zentrale Rolle.
Die Krimis von Anthony Horowitz sind verwoben, sehr spannend und britisch. „Mord in Highgate“ spielt natürlich auch auf dem Friedhof.
In London gibt es die „Magnificent Seven“, sieben alte, mondäne und besonders sehenswerte Friedhöfe aus dem 19. Jahrhundert. Zwei davon, Bunhill Fields Cemetery und Brompton Cemetery habe ich hier schon vorgestellt. Beide liegen sehr zentral und wirken doch wie verwunschene Rückzugsorte.
Wenn Ihr Friedhöfe mögt, dann wird Euch bestimmt auch eine Haunted Pub Tour durch London gefallen, denn in der britischen Hauptstadt gibt es eine Vielzahl von Kneipen, die gerne von Geistern besucht werden.
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