Schwierig war Fräulein Nette und eine Nervensäge, daher bei ihren Verwandten nicht allzu beliebt. Vorlaut und selbstbewusst, daher unweiblich war Annette von Droste-Hülshoff auch, was vor allem bei den Männern auf Ablehnung stieß. Daher erlebte die junge Annette von Droste-Hülshoff eine Intrige, die vermutlich ihr ganzes späteres Leben beeinflusst hat. Karen Duve erzählt in ihrem Buch „Fräulein Nettes Kurzer Sommer“ von einer aufkeimenden Liebe zwischen der Autorin und einem nicht standesgemäßen Studenten. Das Buch spielt überwiegend in Ostwestfalen, in den Schlössern der Familie von Haxthausen. Wenn man die Gelegenheit hat, die Schauplätze des Buches zu sehen und zu besuchen, macht das Lesen noch viel mehr Freude. Daher stelle ich Euch heute nicht nur das Buch „Fräulein Nettes Kurzer Sommer“ von Karen Duve vor, sondern nehme Euch auf eine Phantasiereise zu den Schlössern der Familie von Haxthausen in Brakel bei Paderborn mit. Begleitet mich auf den Spuren von Annette von Droste-Hülshoff in Ostwestfalen.
Schon von Jane Austen oder Charlotte Brontë wissen wir, dass die wichtigsten Tugenden einer Frau im 19. Jahrhundert Liebreiz, Schweigsamkeit, Häuslichkeit und Fähigkeit zu Handarbeiten waren. Eine Frau, die sich für Politik und Literatur interessierte, eine Frau die selbst Bücher und Gedichte schrieb, die sich für Natur und Naturwissenschaften interessierte war für die damalige Gesellschaft sehr befremdlich. Wenn diese Frau auch noch eine eigene Meinung hatte und versucht hat, bei den Gesprächen der Männer mitzureden, war das wider die Natur.
Das Buch „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ von Karen Duve spielt in den jungen Jahren der Autorin, sie ist gerade Anfang 20. Wie damals in den Adelskreisen üblich, verbringt Annette mehrere Monate des Jahres bei Ihren Verwandten in Ostwestfalen. Besonders unbeliebt ist sie bei ihren Onkeln August und Werner von Haxthausen. Die beiden sind Studenten in Göttingen und befreundet mit mit vielen interessanten Personen, die wiederum häufig zu Gast auf dem Familiengut Bökerhof sind. Mit dabei sind Clemens Brentano, die Brüder Grimm, auch der dritte jüngere Bruder, der Maler Ludwig Emil Grimm war häufig bei der Familie von Haxthausen zu Gast.
Einer der Kommilitonen war Heinrich Straube, der sich in die junge Annette verliebte. Straube war nicht nur bürgerlich, sondern auch klein, unansehnlich und sehr arm. Seine Freunde, besonders die Brüder von Haxthausen hielten ihn für einen großen Poeten, der in Zukunft bestimmt mit Goethe verglichen werden kann. Dass Heinrich Straube und Annette von Droste-Hülshoff sich ineinander verlieben, war allen Familienmitgliedern und Freunden ein Dorn im Auge. Für die Familie war Straube eine sehr schlechte Partie. Für die Freunde dagegen war er viel zu gut für die vorlaute und und unangepasste Annette. Also sponnen die Onkel gemeinsam mit einem Freund August von Arnswald eine Intrige. Sie stellten Annettes Liebe zu Straube auf die Probe. Es war eine Probe, die sie durch ein unglückliches Missverständnis nicht bestanden hat.
Das Buch erzählt von den traditionellen Rollen, denn Anfang des 19. Jahrhunderts waren nur Männer für Großes geschaffen. Ein weibliches Genie war undenkbar und Annettes Intelligenz weckte bei den Herren vor allem Neid. Die Intrige war daher eine Kampfansage gegen die weibliche Intelligenz, gegen Neugier und Selbständigkeit. Eine Frau hat ihren Platz und sollte wissen, wo sie hingehört.
Das Buch schildert aber nicht nur die Gesellschaft um den Bökendorfer Literaturkreis, es spiegelt auch den Zeitgeist, die politische Situation wieder. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten die Deutschen ein neues, starkes Nationalbewusstsein. Besonders die Studenten zelebrierten alles, was deutsch ist. Sie lasen alte deutsche Autoren, sprechen die altdeutsche Sprache, trugen altdeutsche Kleidung und sie organisierten sich in den ersten Burschenschaften.
Leider erzählt das Buch „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ fast nichts über die Literatur von Annette von Droste-Hülshoff. Dass sie während der Zeit in Bökendorf ihr wichtigstes Werk „Die Judenbuche“ geschrieben hat, wird nur sehr beiläufig am Rande erwähnt. Dabei passierte der Mord aus der Novelle tatsächlich im Nachbardorf und die Autorin hat sich hier die Inspirationen für das Buch geholt.
Das Elternhaus von Annette von Droste Hülshoff ist die Burg Hülshoff im Münsterland. Doch während ihrer jungen Jahre hat Annette sehr viel Zeit bei Ihrer Verwandtschaft in Ostwestfalen verbracht. Im 19. Jahrhundert war es in adeligen Kreisen üblich, dass man die Verwandtschaft besuchte, für mehrere Wochen oder sogar Monate. So verweilte die Schriftstellerin mehrere Monate im Jahr in Ostwestfalen. In der Umgebung von Brakel kann man gleich mehrere Schlösser entdecken, wo Annette während ihrer Aufenthalte gewohnt hat. Daher zeige ich Euch hier die wichtigsten Stationen des Buches in Ostwestfalen.
Das Schloss Bökerhof ist der wichtigste Handlungsort des Romans. Das Schloss ließ Werner Adolph von Haxthausen 1768 erbauen. Er war der Großvater von Annette von Droste-Hülshoff. Seine Söhne waren Werner und August von Haxthausen, die beiden oben genannten Onkel der Autorin. Hier spielte sich auch die traurige Liebesgeschichte zwischen Annette und Heinrich Straube. Im Schloss Bökerhof traf sich der berühmte Bökendorfer Romantikerkreis, zu dem die Brüder Grimm, Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Luise Hensel und die beiden Schwestern Jenny und Annette von Droste-Hülshoff gehörten. Hier holte sich die Schriftstellerin die Inspiration für ihr wichtigstes Werk „Die Judenbuche“, denn der Mord am jüdischen Kaufmann ist tatsächlich im Nachbardorf passiert. Bis vor kurzem befand sich im Schloss Bökerhof ein Museum rund um den Bökendorfer Literaturkreis, doch das wurde leider geschlossen. Das Schloss ist nun im Privatbesitz.
Auf dem Gutshof Abbenburg, welches nur etwas mehr als ein Kilometer vom Bökerhof entfernt liegt, lebte der Jugesellenonkel von Annette, Friedrich Maximilian von Haxthausen. Auch hier waren Annette und ihre Verwandtschaft häufige Gäste. Nach dem Zerwürfnis mit Heinrich Straube und den Onkeln Werner und August besuchte Annette nie wieder das Schloss Bökendorf. Aber nach mehreren Jahren am Bodensee besuchte sie erneut ihren Onkel auf dem Gut Abbenburg.
Abbenburg ist kein Schloss, eher ein großer Gutshof mit weitläufigen landwirtschaftlichen Anlagen. Einst stand hier wirklich die Abbenburg, die im 13. Jahrhundert erbaut, aber im 17. Jahrhundert abgerissen wurde. Das heutige Gutshaus stammt aus dem Jahr 1598, wurde aber 1833 umfassend ausgebaut. Auch der Gutshof ist heute im Privatbesitz und kann nicht besucht werden.
Bökendorf und Hinnenburg sind nur ein Fußmarsch voneinander entfernt, daher wanderte Annette sehr oft zur Verwandtschaft auf Schloss Hinnenburg. Das imposante Schloss wurde um 1600 im Stil der Weserrenaissance erbaut und im Stil des Barocks aus- und umgebaut. Hier lebte die Tante von Annette, die Gräfin von Bocholtz-Asseburg. Nicht nur die Schwestern von Droste-Hülshoff und die vielen Mitglieder der Familie von Haxthausen kamen sehr häufig hierher. Das Haus war groß, daher waren auch die anderen Mitglieder des Bökendorfer Romantikerkreises hier zu Gast, häufig auch für mehrere Wochen. Das Schloss ist heute im Privatbesitz, kann daher nicht besucht werden, es gibt aber einen schönen Wanderweg rund um das Schloss.
Bellersen ist das Dorf B. aus dem berühmtesten Werk der Autorin „Die Judenbuche“. Wenn man Ostwestfalen auf den Spuren von Annette von Droste-Hülshoff erkundet, dann sollte man unbedingt Bellersen besuchen. Denn der Mord an dem jüdischen Kaufmann ist hier tatsächlich passiert und der geflohene Mörder ist nach jahrelanger Sklaverei in Algier nach Bellersen zurückgekehrt. Bellersen ist das Nachbardorf von Bökendorf, zwischen den Dörfern liegen nur drei Kilometer. Annette von Droste-Hülshoff hat während eines ihrer Aufenthalte auf dem Bökerhof die Geschichte vom Mord am jüdischen Kaufmann gehört.
Mehr über das Dorf B. aus der Novelle „Die Judenbuche“ könnt ihr hier erfahren: Das Dorf B. – Bellersen bei Brakel entdecken
Droste-Hülshoff war immer sehr kränklich, daher nahm ihre Großmutter sie zur Kur nach Bad Driburg mit. Im Buch spricht die Autorin immer vom dreckigen Driburg, die Kurstadt scheint damals etwas heruntergekommen gewesen zu sein. Auch über die Kur verliert Annette kaum ein gutes Wort, tagsüber versucht sie sogar in die Natur zu entfliehen, statt die Kuranwendungen zu nutzen. Auch heute ist Bad Driburg eine für Heilwasserquellen bekannte Kurstadt, allerdings ist gerade das Kurgebiet besonders malerisch. Der Kurpark mit dem englischen Landschaftsgarten und den nostalgischen Fachwerkhäusern ist absolut sehenswert.
Mehr über den Kurpark von Bad Driburg könnt Ihr hier lesen: Gräflicher Park in Bad Driburg
Das Buch „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ zeigt eine unbekannte Seite der bekannten Autorin. Sie war jung und vorlaut, intelligent und unangepasst aber auch unsicher. Die Männer mochten das Mädchen nicht, welches sich mit ihnen auf eine Ebene stellte. Aber auch bei ihren weiblichen Verwandten erntete Annette wenig Sympathie. Daher haben alle bereitwillig bei der Intrige um ihre Liebesbeziehung mitgemacht oder geschwiegen. Amüsant ist, dass an die heroischen Männer heute kaum eine Erinnerung geblieben ist, nur die ungeliebte Frau hat Ruhm erlangt.
Der Roman ist sehr kurzweilig und interessant, mit hat das Lesen viel Spaß gemacht. Über die Werke von Annette von Droste-Hülshoff erfährt man kaum etwas, leider. Es ist ein interessantes Gesellschaftsportrait, das den Zeitgeist spiegelt. Spaß hat mir das Buch aber vor allem gemacht, weil ich alle diese Orte kenne. Die Schlösser in Ostwestfalen, aber auch Bad Driburg, Kassel oder die Burg Hülshoff in Münsterland, alle Schauplätze des Buches habe ich schon besucht. Das Lesen ist dann ein besonderer Genuss.
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Danke für die interessanten Einblicke!
Liebe Grüße!
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