New Orleans ist die Hauptstadt der Geheimnisse und des Übersinnlichen und natürlich auch die Voodoo-Hauptstadt. In einer Kirche bin ich einem sehr skurrilen Heiligen begegnet, Saint Expedit, dem Schutzpatron der Programmierer, Nerds und der Reisenden. Die Geschichte des Heiligen Expedit und sein Recycling in der Voodoo-Religion sind so schräg, dass ich sie aufschreiben wollte. Während meiner Reise nach New Orleans habe ich nicht nur St. Expedit entdeckt, sondern auch viel über die Voodoo-Religion erfahren. Ich nehme Euch mit auf eine kurze Reise durch Louisiana, auf den Spuren der ersten Siedler und der geheimnisvollen Voodoo-Zauber. 

Heiliger Expedit, St. Expedit, Baron Samedi
St. Expedit in der Kirche Our Lady of Guadaloupe in New Orleans

Wer war Saint Expedit?

Bei Expedit muss ich zuerst an die Ikea-Regale denken. Doch es gibt tatsächlich einen Heiligen Expedit. Wer war der Heilige Expedit? Expedit soll ein römischer Centurio gewesen sein, der ca. 300 nach Christus zum Christentum konvertiert ist und deswegen enthauptet wurde. Als christlicher Märtyrer wurde er in den römischen Katakomben bestattet. Laut einigen Webseiten entwickelte sich schon im frühen Mittelalter ein Kult um den Heiligen. In ganz Südeuropa besonders in Italien wurde er verehrt.

Der Heilige Expedit war über Jahrhunderte ein anerkannter Heiliger der katholischen Kirche – bis er 1906 rausgeschmissen wurde. Angeblich entwickelte der Kult um St. Expedit „ungesunde Auswüchse“. Die katholische Kirche zweifelt daran, dass Expedit wirklich gab. Dennoch wird er von Katholiken in der ganzen Welt bis heute verehrt. Vor allem auf der französischen Insel La Reunion und in Südamerika. In der chilenischen Stadt Vina gibt es eine Kirche, die St. Expedit geweiht wurde. Sie hat sich zu einem beliebten Pilgerziel entwickelt. 

Es gibt eine andere Legende über die Herkunft von St. Expedit, die über die ersten Nonnen von New Orleans erzählt wird. Im 18. Jahrhundert kamen viele europäische Siedler nach Louisiana. Die Farmer und Pflanzer wünschten sich kirchlichen Beistand und Erziehung ihrer Töchter, daher wurden die Nonnen nach New Orleans verschifft. Mit dem Schiff brachten die Ursulinen die Statue eines Heiligen mit, das der Heilige St. Expedit hieß, wurde nicht hinterfragt. Es wird vermutet, dass während der Reise das Schild mit dem Namen des Heiligen abgefallen ist und ein falsches Schild an die Statue angebracht wurde. Die Skulptur des Heiligen Expedit befindet sich seit dem 18. Jahrhundert in New Orleans.

Heute ist er in der Kirche Our Lady of Guadaloupe in New Orleans zu sehen, fast gegenüber des St. Louis Cemetery Nr. 1.  Die amüsant zusammengefasste Geschichte von Christian Morgenstern könnt Ihr am Ende des Artikels lesen. 

St. Expedit in anderen Religionen

Nach dem Besuch der Kirche mit der St. Expedit Figur ist mir der Heilige noch einmal begegnet und zwar im Voodoo-Museum. Katholischer Heiliger im Voodoo-Museum? St. Expedit ist das katholische Gegenüber des haitianischen Voodoo-Geistes Baron Samedi. Er ist einer der Totenherrscher, der auf Friedhöfen lebt und während einer Voodoo-Zeremonie erweckt wird. Vielleicht kennt Ihr ihn aus dem Buch von Terry Pratchett “Total verhext”* oder aus Neil Gaimans “American Gods”*? 

Im Voodoo Museum habe ich erfahren, dass alle Loas (Voodooo-Geister) ein katholisches Pendant haben. Die Sklaven durften nur ihre Voodoo-Rituale ausüben, wenn es den Anschein machte, dass sie die katholische Heilige anbeten. Aber auch bei den wohlhabenden Weißen galten die geheimnisvollen Voodoo-Praktiken als hip. Vielleicht diente es der Gewissensberuhigung, wenn bei den Ritualen einige bekannte Heilige auftauchten? Die berühmteste Voodoo-Priesterin Marie Laveau war gleichzeitig bekennende Katholikin. Interessant fand ich auch, dass sie Schwarze Madonna von Tschenstochau als Voodoo-Gottheit verehrt wird, sie gleicht Erzulie Dantor, einem mächtigen weiblichen Loa.

St. Expedit wird von mehreren Religionen verehrt. Für die Hindus ist er eine Inkarnation des Gottes Vishnu. Von den moslemischen Indern wird er als Sufi verehrt.

St. Expeditus von Christian Morgenstern

Das Lustigste kommt zum Schluss – lest hier die Geschichte um St. Expeditus. 

Einem Kloster, voll von Nonnen,
waren Menschen wohlgesonnen.
Und sie schickten, gute Christen,
ihm nach Rom die schönsten Kisten:
Äpfel, Birnen, Kuchen, Socken,
eine Spieluhr, kleine Glocken,
Gartenwerkzeug, Schuhe, Schürzen…

Außen aber stand: Nicht stürzen!
Oder: Vorsicht! oder welche
wiesen schwarzgemalte Kelche.
Und auf jeder Kiste stand
»Espedito«, kurzerhand.

Unsre Nonnen, die nicht wußten,
wem sie dafür danken mußten,
denn das Gut kam anonym,
dankten vorderhand nur IHM,
rieten aber doch ohn Ende
nach dem Sender solcher Spende.

Plötzlich rief die Schwester Pia
eines Morgens: Santa mia!
Nicht von Juden, nicht von Christen
stammen diese Wunderkisten –
Expeditus, o Geschwister,
heißt er, und ein Heiliger ist er!

Und sie fielen auf die Kniee.
Und der Heilige sprach: Siehe!
Endlich habt ihr mich erkannt.
Und nun malt mich an die Wand!
Und sie ließen einen kommen,
einen Maler, einen frommen.

Und es malte der Artiste
Expeditum mit der Kiste.
Und der Kult gewann an Breite.
Jeder, der beschenkt ward, weihte
kleine Tafeln ihm und Kerzen.
Kurz, er war in aller Herzen.

II

Da auf einmal, neunzehnhundert-
fünf, vernimmt die Welt verwundert,
daß die Kirche diesen Mann
fürder nicht mehr dulden kann.
Grausam schallt von Rom es her:
Expeditus ist nicht mehr!

Und da seine lieben Nonnen
längst dem Erdental entronnen,
steht er da und sieht sich um –
und die ganze Welt bleibt stumm.
Ich allein hier hoch im Norden
fühle mich von seinem Orden,
und mein Ketzergriffel schreibt:
Sanctus Expeditus – bleibt. (…)

St. Expedit als Internet-Star

Je länger ich mich mit St. Expedit beschäftigt habe, umso interessanter fand ich die Geschichten, die um ihn ranken. Er wird bis heute verehrt, zum Teil auf sehr ungewöhnliche Art. Es gibt eine Fülle an Gebeten, z. B. Gebete um Hilfe zum Beenden der Prokrastination – also quasi mein Heiliger. Interessant ist auch der St. Expedit Cake, der lauter gute Zutaten beinhaltet, z. B. Butter, die für Wohlstand sorgen soll oder Zucker, der das nächste Jahr versüßt. Der Expedit-Kuchen soll eine beliebte Gabe bei Voodoo-Zeremonien sein. Ich denke, Expedit wird mir noch häufiger begegnen.

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Erstellt am März 30, 2020

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2 Antworten zu “St. Expedit – Schutzpatron der Nerds und eine Voodoo-Gottheit”

  1. Shan Dark sagt:

    Da hab ich wieder was gelernt in Deinem Beitrag. Weder hatte ich bisher etwas von St. Expedit gehört, noch mich schon so intensiv mit Voodoo beschäftigt, dass ich gewusst hätte, dass alle Voodoo-„Heiligen“ echte katholische Pendants haben. Das ist interessant und auch geschichtlich recht logisch.

    Das Gedicht von Christian Morgenstern ist wunderbar.

    Danke für die erhellende Lektüre.

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