Wolfenbüttel ist nicht nur die Stadt von Fürsten oder Gelehrten. Es ist auch die Stadt engagierter Bürger und vor allem auch Bürgerinnen. Denn Frauen spielten eine bedeutende Rolle in der Geschichte von Wolfenbüttel. Zwei davon, Anna Vorwerk und Henriette Breymann haben sich stark für die Frauenbildung eingesetzt. Das Thema Erziehung und Bildung war im 19. Jahrhundert bei Mädchen aus gutem Hause ein beliebtes Thema. Sowohl Henriette Breymann als auch Anna Vorwerk wurden stark von Reformpädagogen Friedrich Fröbel beeinflusst, entwickelten aber eigene Ansätze. Begleitet mich heute auf einem Spaziergang durch Wolfenbüttel, auf den Spuren der zwei Pädagoginnen. Denn heute schlüpfe ich in die Rolle von Henriette Breymann.

Fachwerkstadt in Niedersachsen, sehenswerte Stadt in Niedersachsen,

Altstadt von Wolfenbüttel

Was man über mich wissen sollte? Henriette Breymann (1827-1899)

Aufgewachsen bin ich in einer Pastorenfamilie, mit 9 jüngeren Geschwistern. Daher wundert es vermutlich keinen, dass ich mich für das Thema Erziehung interessiere. Trotz der großen Familie machten meine Eltern es möglich, dass ich zur Schule gehen konnte – für Mädchen damals nicht selbstverständlich. Doch die Schule langweilte mich! Ich hatte so viele Fragen, wollte Lernen, Neues erfahren und vor allem ausprobieren, doch in der Schule musste ich immer nur dasselbe lernen und gehorsam sein. Dass ich viele Fragen gestellt habe, war nicht erwünscht, denn gute Schüler mussten nur auswendig Lernen. Die Schule war so phantasielos und für die Lehrer war ich einfach nur der Störenfried. Leider bin ich immer wieder von der Schule geflogen.

Als ich 21 Jahre alt war, lernte ich den Cousin meiner Mutter, Friedrich Fröbel kennen. Er war ein Mann voller Ideen und voller Taten. Er wusste, wie viel Spaß Bildung machen kann und und vor allem, wie man Wissen vermittelt. Ich musste ihm folgen, wollte mehr über die neue Art der Wissensvermittlung erfahren! Also ging ich mit Friedrich nach Rudolstadt und Dresden, denn nur dort konnte ich mich weiterentwickeln. Zuerst arbeitete ich in Kindergärten, später besuchte ich Seminare für Erzieherinnen. Hier konnte ich erleben, wie viel Spaß das Lernen und die Wissens machen können.

Voller Ideen ging ich nach Watzum zu meiner Familie zurück und gründete dort meine eigene Mädchenschule. Die Schule war ein Riesenerfolg und wurde schnell international bekannt. In meiner Einrichtung lernten die Mädchen nicht nur Hauswirtschaft und Handarbeit, sondern auch Rechnen, Geografie, Naturkunde, Turnen und sogar Schlittschulaufen. Jede Schülerin hatte einen individuellen Stundenplan, ganz nach ihren Neigungen ausgelegt. Stellt Euch vor, sogar Robert und Clara Schumann schickten ihre jüngste Tochter in meine Schule.

Meine Schule machte meine Ideen berühmt. Ich wurde zu Vorträgen in ganz Europa eingeladen und die Anmeldezahlen wuchsen. Die Gebäude in Watzum wurden schnell zu klein, so kauften meine Eltern ein Gebäudekomplex in Wolfenbüttel, welches ich “Neu-Watzum” nannte. Es war nicht nur eine Schule. “Neu-Watzum” beinhaltete ein Mädcheninternat, einen Kindergarten, eine Fortbildungsklasse für junge Frauen und ein Lehrerinnenseminar. Gemeinsam mit meiner Freundin Anna Vorwerk und anderen engagierten Damen gründeten wir in Wolfenbüttel den “Verein für Erziehung”. Unserer Verein gründete die Schlossschulen in Wolfenbüttel

Schloss Wolfenbüttel, Barockschloss Niedersachsen, Schule im Schloss

In Teilen des Schosses ist heute immer noch eine Schule untergebracht.

Über Anna Vorwerk (1839-1900)

Auch Anna stammt aus einer sehr wohlhabenden Familie, ihre Familie war deutlich reicher als meine. Sie wurde sehr gefördert, hatte Musikunterricht bei Johannes Brahms und Hans von Bülow. Ich traf Anna bei meinen Vorträgen, sie interessierte sich so sehr für meine Ideen. Sie war genau die Richtige, um mit mir gemeinsam die Mädchenbildung voran zu bringen. Doch im Verein gab es bald Meinungsverschiedenheiten. Anna war eine Befürworterin von Disziplin, Unterordnung und Fleiß… das waren nicht die Werte, die meine Pädagogik vertrat. Unsere Arbeit wurde immer mehr von vielen Konflikten begleitet. Daher musste eine Leiterin für den Verein und die neu gegründeten Schlossschulen gewählt werden. Wir wollten beide die Stelle haben, doch Anna spendete einen großen Teil ihres Familienvermögens dem Verein und bekam die Stelle als Leiterin. Sie bootet mich aus… mit Geld.

Was ist aus Henriette Breymann geworden?

Ich hatte immer noch mein Institut “Neu Watzum”, hier konnte ich meine Ideen umsetzen. Dabei lernte ich den Juristen Karl Schrader kennen. Er war überzeugt von meinem pädagogischen Ansatz und unterstützte mich sehr. Wir arbeiteten gemeinsam an meinem Projekt. Als Karl Eisenbahndirektor wurde, ging ich mit ihm nach Berlin. Dort gründeten wir den Verein für Volkskindergärten und Volkserziehung” und das Pestalozzi-Fröbel-Haus. Mein Ehemann half mir bei meinen Projekten und ich unterstützte ihn bei seinem politischen Engagement. Wir hatten eine erfüllte Partnerschaft auf Augenhöhe. Bis zu meinem Tod setzte ich mich für Frauenfragen und den sozialen Bereich ein.

Starke Frauen von Wolfenbüttel

Sowohl Anna Vorwerk als auch Henriette Breymann könnt Ihr heute auf dem Friedhof “Vor dem Herzogtore” besuchen, denn beide haben ihre letzte Ruhestätte in Wolfenbüttel gefunden.

Ihr könnt die Stadt auf den Spuren von Anna Vorwerk und Henriette Breymann erkunden, denn in Wolfenbüttel werden thematische Stadtführungen zum Thema “Starke Frauen” angeboten. Dabei erfahrt Ihr nicht nur etwas über die zwei Pädagoginnen, denn in Wolfenbüttel lebten noch andere interessante Frauen. Dazu gehört z. B. Friederike von Riedesel, die angeblich die Tradition des Weihnachtsbaums nach Amerika brachte, oder die heute nahezu unbekannte Schriftstellerin und Übersetzerin Claire von Glümer.

Für alle, die sich mehr für starke Frauen oder grundsätzlich für bedeutende Persönlichkeiten von Wolfenbüttel interessieren, empfehle ich einen Besuch im Bürgermuseum. Denn nachdem der Fürst mit seinem Hof nach Braunschweig zog, musste die Stadt sich neu definieren. Das haben die Wolfenbütteler Bürger wunderbar hingekriegt. Den Bürgern ist das Museum gewidmet.

Möchtet Ihr mehr über Wolfenbüttel erfahren?

Dann lest auch meinen Beitrag über die Bibliothek von Wolfenbüttel, die zu den schönsten Bibliotheken in Deutschland zählt.
Mehr Tipps für historische Sehenswürdigkeiten der Stadt findet Ihr im Artikel über die Sightseeing-Tipps von Wolfenbüttel.
Außerdem hat Wolfenbüttel mehrere historische Friedhöfe, die auf jeden Fall einen Besuch wert sind.

Wolfenbüttel habe ich im Rahmen einer gesponserten Recherchereise besucht. Vielen Dank an die Lessingstadt Wolfenbüttel für die wunderbare Reise!

Erstellt am November 13, 2018

Ähnliche Posts


10 Antworten zu “Durch Wolfenbüttel mit Henriette Breymann und Anna Vorwerk”

  1. Andrea sagt:

    Pestalozzi und Fröbel waren mir bekannt, über die beiden Damen wusste ich nichts. Dankeschön Burgdame. 😊

  2. Shadownlight sagt:

    Hey, also auf den Foto siehst du tatsächlich aus wie eine Burgdame :)!
    Liebe Grüße!

  3. Kerstin sagt:

    Ein wahnsinnig interessanter Bericht, der mir Wolfenbüttel nun richtig schmackhaft gemacht hat. Eine Frage noch: Hat Frau Vorwerk irgendwas mit den Staubsaugern zu tun?

    Herzliche Grüße
    von

    Kerstin

  4. Stephanie sagt:

    Danke für diesen schönen Bericht über zwei Frauen, die viel zu unbekannt sind.
    LG aus Wolfenbüttel

  5. Kerstin sagt:

    Die würde ich mir selbstverständlich auch nicht entgehen lassen, wenn ich schon mal dort wäre 😉

  6. […] Linktipp: Durch Wolfenbüttel mit Henriette Breymann und Anna Vorwerk […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert