Božena Němcová ist mir schon länger als Autorin bekannt, doch gelesen habe ich bisher noch nichts von ihr. Doch die Autorin wird immer als die wichtigste tschechische Schriftstellerin genannt, schon das ist ein Grund, zu einem ihrer Bücher zu greifen. Aufmerksam wurde ich auf Božena Němcová als ich mich mit der Geschichte der Burg Posterstein und der Herzogin Dorothea von Kurland beschäftigt habe. Božena Němcová ist im Schloss der Tochter der Herzogin aufgewachsen. Wilhelmine von Sagan war ihre Förderin und hat ihr eine sehr gute Ausbildung finanziert. Warum? Dazu gibt es nur Spekulationen. Im Buch „Die Großmutter“ von Božena Němcová spielt die Fürstin eine wichtige Rolle. Das hat mich neugierig gemacht, ich hatte den Wunsch, das Buch zu lesen.
Die Autorin (1820-1862) gilt heute als die wichtigste Schriftstellerin Tschechiens. Doch Ruhm kam erst nach ihrem Tod. Geboren und aufgewachsen ist Božena Němcová noch als Barbara Novotna auf dem Schloss Ratibořice in Böhmen, dem Schloss von Wilhelmine von Sagan. Der Vater von Božena war Kutscher der Herzogin, die Mutter war im Schloss Wäscherin. Die Familie hatte mehrere Kinder, doch Božena war die einzige, der die Herzogin eine sehr gute Schulausbildung finanziert hat. Die Beziehung der beiden war besonders eng, daher wird vermutet, dass Božena entweder das leibliche Kind der Herzogin von Sagan oder ihrer Schwester Dorothée de Talleyrand-Périgord war.
Božena Němcová heiratete mit 17 einen deutlich älteren tschechischen Finanzbeamten, mit dem sie jedoch nicht glücklich wurde. Das Schreiben soll für sie ein großer Trost und Ablenkung vom Alltag gewesen sein. Während ihres Aufenthaltes in Prag soll Božena Němcová viele Freunde aus der intellektuellen Künsterszene gehabt haben, die ihre Interessen teilte. Doch die Familie zog häufig um, da ihr Ehemann aufgrund seiner politischen Aktivität strafversetzt wurde. Nach der Entlassung des Ehemannes begann für die Familie eine Zeit schlimmer Armut und schwerer Krankheit von Božena. Sie starb im Alter von 42 Jahren. Schon das Begräbnis der Autorin war viel pompöser als ihr Leben, ihr Ruhm entfaltete sich erst nach ihrem Tod. Heutzutage ist sie vor allem als die Autorin des Märchen „Drei Nüsse für Aschenbrödel“* bekannt.
Die Großmutter von Božena Němcová* ist ihr bekanntestes Werk. In kurzen Episoden erzählt die Autorin über ländliches Leben Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Geschichte spielt im tschechischen Dorf Ratiborice, am Fuße des Riesengebirges, weit weg von großen Städten. Im Mittelpunkt steht die Großmutter, die für die Schar ihrer Enkel eine Ersatzmutter ist, die vom der Dorfgemeinschaft sehr geachtet und sogar von der Fürstin um Rat gefragt wird. Die Kindheit, die Bräuche, der Zusammenhalt der Dörfler und deren Verbundenheit zur Natur sind beeindruckend. Das naive Leben ist so idyllisch, dass es mir manchmal fast erstrebenswert erschien. Geschildert wurde das Leben wie ein verlorenes Kleinod. Vermutlich hat Božena Němcová ihrer idyllischen Kindheit selbst nachgetrauert. Viele Protagonisten aus dem Buch sind auf reelle Personen aus der Kindheit der Autorin zurückzuführen. So auch die Fürstin, die im Buch zwar nicht namentlich genannt ist, aber sofort als Wilhelmine von Sagan zu erkennen ist. Laut Kindlers Literatur-Lexikon gehört die Großmutter zu den schönsten Frauengestalten der Weltliteratur. Wunderschön ist auch die Bildersprache der Autorin, denn die Personen, das Dorf oder die Gefühle werden mit so viel Liebe zu Detail, mit so viel Enthusiasmus beschrieben, dass jeder Satz Freude macht.
Božena Němcová gilt heute als die bedeutendste Schriftstellerin Tschechiens, in Deutschland ist sie dennoch wenig bekannt. Zu unrecht! Ich habe das Buch sehr genossen, weil es ganz anders als die große Werke der Weltliteratur ist. Es war schön zu lesen, wie etwas Profanes wie ein Dorfalltag so starke Bedeutung bekommt. Vor allem war es faszinierend, wie eine sehr untypische Literaturgestalt mich so fesselte und so starke Sympathie hervorgerufen hat. Entdeckungen von Büchern, die heute immer mehr in Vergessenheit geraten mag ich sehr und Die Großmutter von Božena Němcová ist ein Werk, was definitiv nicht in Vergessenheit geraten sollte. Die hier gezeigte Ausgabe ist inzwischen vergriffen, doch ich bin überzeugt, dass „Babicka“ (wie das Buch in tschechisch heißt), wieder neu aufgelegt wird. Leider habe ich auch keine kostenlose Version für einen eBook-Reader entdeckt, nicht für Kindle und auch nicht in anderen Formaten, daher hoffe ich auf Neuausgaben, da ich sehr gerne mehr von der Schriftstellerin lesen möchte.
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Hey,
na die kannte ich wirklich nicht, danke für den Tipp!
Liebe Grüße an dich!