Hildburghausen – eine kleine verschlafene Kreisstadt im Süden Thüringens, die ich vielleicht nie entdeckt hätte, wenn die Dunkelgräfin nicht gäbe. Die Geschichte der Dunkelgräfin ist spannend wie ein Krimi und geheimnisvoll, wie eine eine Erzählung von Wilkie Collins. Doch welches Geheimnis steckt hinter der Geschichte um die Dunkelgräfin? Nach dem ich die MDR-Doku „Die Dunkelgräfin von Hildburghausen“ gesehen habe, stand es ganz schnell fest, dass ich mich auch auf die Spuren der Dunkelgräfin begeben muss. Den ersten Artikel über die Dunkelgräfin von Hildburghausen habe ich 2015 geschrieben, nachdem ich zum ersten Mal in Hildburghausen war. Sechs Jahre später, nach drei weiteren Besuchen, ist es Zeit, den Artikel zu überarbeiten und noch einmal zu veröffentlichen. Obwohl ich schon sehr viel über die Geschichte der Dunkelgräfin gelesen habe, hat sie nichts von der Faszination verloren. Denn gerade die ungeklärte Identität der geheimnisvollen Dame macht den Fall so spannend.
„Dunkelgräfin“, schon der Name klingt geheimnisumwoben. Wer war die Dunkelgräfin, die gemeinsam mit dem Dunkelgrafen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Nähe von Hildburghausen lebte? Das Paar lebte sehr zurückgezogen, von der Welt nahezu abgeschieden. Ihre Identität war damals schon unbekannt und ist es bis heute geblieben. Schon zu deren Lebzeiten kursierten viele Legenden und Gerüchte über die immer verschleierte Dunkelgräfin und den Dunkelgrafen, der mit Ihr das Haus teilte. Das Paar war nicht verheiratet und angeblich auch kein Liebespaar.
Bis heute weiß man nur sehr wenig über das seltsame Paar. Die Dunkelgräfin und ihr Begleiter sind am 07.02.1807 nach Hildburghausen gezogen. Sie haben dort 3 Jahre gelebt, danach sind sie in das nur wenige Kilometer entfernte Schloss Eishausen gezogen, um in Abgeschiedenheit leben zu können. 30 Jahre lebten sie im Schloss Eishausen, doch kein Bürger und kein Diener kannte ihre Identität. Die Dunkelgräfin war immer verschleiert und hat das Schloss nie verlassen.
Wer der Dunkelgraf war, ist bekannt. Er war der Holländer Leonardus Cornelius van der Valck, in Hildburghausen aber lebte er unter dem Pseudonym Vavel de Versay. Er war holländischer Diplomat am Pariser Hof bis zur französischen Revolution. Es gibt Vermutungen, dass der Name „Versay“ von Versailles stammen könnte. Aber warum nutzte Van der Valck nicht seinen richtigen Namen, sondern ein Pseudonym? Auf seinem Grab findet man keinen Namen, nur die Daten seiner Lebzeit in Eishausen. Wenige Infos findet man auf dem Schild nebenan. Engeren Kontakt hatte der Dunkelgraf nur mit dem Dorfpfarrer und mit ihm hat er ausschließlich schriftlich kommuniziert. Auf kleinen Zetteln tauschten sie sich über Politik oder Wissenschaft aus, über viele Jahre.
Wer die Dunkelgräfin war, das weiß bis heute keiner. Die Unbekannte verstarb 1837, sie wurde namenlos beerdigt. Nach dem Tod des Grafen wurde ein Brief gefunden, in dem er mitteilte, dass die Tote die Bürgerliche Sophia Botta aus Westfalen war. Der Name taucht aber in keinem Tauf- oder Heiratsregister auf. Im Nachlass des Grafen fand man auch eine Geldbörse mit eingestickten Freimaurersymbolen und ein in Wien gedrucktes katholisches Gebetbuch in französischer Sprache.
Jahrhunderte hielt sich das Gerücht, dass die Dunkelgräfin Marie Thérese Charlotte de Bourbon (1778-1851) war, die Tochter von Ludwig XVI. und Marie Antoinette. Während der Französischen Revolution wurde das Königspaar samt der Familie enthauptet. Marie Thérese, auch Madame Royale genannt, war die einzige Überlebende aus der königlichen Familie. Im Rahmen eines Gefangenenaustausches wurde Marie Thérese zu ihren österreichischen Verwandten gebracht, denn das Kaiserpaar Maria Theresia und Franz Stephan I von Österreich waren ihre Großeltern. Marie Thérese heiratete später den Herzog von Angoulême und zog nach Frankreich zurück.
Aber war die Marie Thérese Charlotte, Herzogin von Angoulême wirklich die Tochter des französischen Königs? Angeblich wurde Marie Thérese während des Gefangenenaustausches selbst ausgetauscht. Sie soll während der Gefangenschaft geschwängert worden sein und litt an psychischen Problemen. Als Vertreterin der Monarchie wurde sie nicht mehr gebraucht, daher soll sie durch ihre Halbschwester Ernestine Lambriquet ersetzt worden sein. Ernestine war die uneheliche Tochter von Ludwig XVI. und seiner Kammerzofe. Diese soll fortan am österreichischen und später auch französischen Hof gelebt haben, während die echte Marie Thérese versteckt wurde. Es gibt angeblich einen Brief von Maria Karolina, der Königin von Neapel, der Schwester von Marie-Antoinette mit folgendem Inhalt:
„Ich bin krank vor Angst, dass diese Bestien sich erlauben, ein anderes Mädchen anstelle meiner Nichte nach Wien zu schicken.“
Der holländische Diplomat Leonardus Cornelius van der Valck, der sich plötzlich Vavel de Versay nannte, bekam die Aufgabe übertragen, die Dame, die später Dunkelgräfin genannt wurde, zu verbergen. Um vor Napoleon zu fliehen, versteckten sich die beiden zuerst in Württemberg, in Ingelfingen. Hierüber sagt eine Legende, dass das Paar nachts um 2 Uhr geflohen ist, als am Vortag der Sohn eines Geheimrats das Gesicht der Dame gesehen hat. Ihre Flucht ging über Gotha und Jena, bis nach Hildburghausen, wo sie 3 Jahre blieben und sich dann im nahegelegenen Eishausen niederließen. Während der Zeit in Hildburghausen lebte das Paar in dem Haus, wo auch die Freimaurerloge tagte, daher wird gerne bei der Gesichte eine Verbindung zu den Freimaurern hergestellt. Das Paar war sehr wohlhabend und lebte unter besonderem Schutz der Herzöge von Sachsen-Hildburghausen. Weil die Dame immer verschleiert war, wurde sie von der Bevölkerung „Die Dunkelgräfin“ genannt.
Die Geschichte der geheimnisvollen Gräfin war vor 100 Jahren genau so spannend für die Menschen wie heute. Schon zu ihren Lebzeiten war die immer verhüllte Dame eine Sensation, um die sich sehr viele Legenden und Gerüchte rankten. Wer mehr über die Dunkelgräfin erfahren möchte, sollte unbedingt das Stadtmuseum Hildburghausen besuchen. Es ist ein Museum, welches die Geschichte der Stadt Hildburghausen und des Herzogtums Sachsen-Hildburghausen erzählt. Im Museum erfährt man überraschend viel über die Dunkelgräfin. Der Besucher erfährt etwas über die Odyssee der Dunkelgräfin durch Europa und vor allem durch Deutschland. Das Paar war mit großer Wahrscheinlichkeit auf der Flucht, denn sie lebten meist nur wenige Monate an einem Ort. Fast 10 Jahre dauerte die Odyssee durch Europa. Hildburghausen war die Endstation der Reise, hier ließen sich die beiden nieder, hier verstarben sie. Auch im Museum wird spekuliert, wer die Dunkelgräfin war, mehrere Ideen werden hier geschildert. War es eine vertauschte Person, wenn nicht die Tochter von Marie Antoinette, dann vielleicht eine andere Dame aus dem französischen Hochadel, die vor der Revolution geflohen ist. Vielleicht war es aber auch ein verkleideter Mann oder eine durch Krankheit entstellte Frau? Vielleicht aber auch eine uneheliche preußische Prinzessin oder uneheliche französische Herzogstochter?
Der Grund, warum das seltsame Paar in Hildburghausen gelandet ist, liegt vermutlich daran, dass das Paar unter dem besonderen Schutz des Herzogs von Sachsen- Hildburghausen stand. Es gibt einen herzoglichen Schutzbrief, der dem Paar Immunität garantiert. Im Stadtmuseum Hildburghausen erfährt man sehr viel über das Adelsgeschlecht von Sachsen-Hildburghausen. Deren Beziehungen reichten bis in die königlichen Kreise. Charlotte von Mecklenburg-Strelitz wurde durch ihre Heirat Herzogin von Sachsen-Hildburghausen. Charlotte war die Schwester von Königin Luise von Preußen, von Königin Friederike von Hannover und von Fürstin Therese von Thurn und Taxis. Dem Adelsgeschlecht von Sachsen-Hildburghausen sind mehrere Räume des Museums gewidmet.
Das Oktoberfest, das bekannteste Volksfest, hat auch seine Ursprünge im Hause Sachsen-Hildburghausen. Denn Therese von Sachsen-Hildburghausen heiratete Ludwig von Bayern, den späteren Bayrischen König Ludwig I. Zu Ehren der Hochzeit wurde ein großes Volksfest auf der Theresienwiese gefeiert, die nach Therese benannt ist. Seit dem wird jedes Jahr zu Ehren der Heirat von Ludwig und Therese das Oktoberfest auf der Theresienwiese gefeiert. Eine Ehe zwischen dem Hause von Waldeck und von Sachsen-Hildburghausen möchte ich noch erwähnen. Sophia Henriette von Waldeck, die aus meiner Heimatstadt Bad Arolsen stammt, heiratete Ernst von Sachsen-Hildburghausen. Sie lebten zuerst im Schloss Arolsen und zogen nach Hildburghausen erst, als das neue Schloss erbaut wurde. Das Schloss der Familie von Sachsen-Hildburghausen gibt es leider nicht mehr, es wurde am Ende des II. Weltkrieges zerstört. Der Schlosspark ist aber immer noch sehr schön und im Sommer voller Blumen, ein Besuch dort lohnt sich für eine kurze Auszeit oder einen Spaziergang.
Die Legenden um die geheimnisvolle Gräfin halten sich hartnäckig über mehr als 200 Jahre. Das liegt vor allem daran, dass die Identität der immer verschleierten Dame bis heute ungeklärt ist. Um die Identität der Dunkelgräfin zu klären, wurde das Grab in Hildburghausen im Jahr 2013 geöffnet. Einige Skelettteile wurden für die DNA-Analyse entnommen. Der DNA-Vergleich mit noch lebenden Nachfahren von Marie Antoinette hat ergeben, dass die Dunkelgräfin nicht Marie Thérese sein kann.
Wer die Dunkelgräfin war und warum sie immer ihr Gesicht verborgen hatte, wird vermutlich weiterhin ein spannendes Geheimnis bleiben. Aber gerade das Ungeklärte macht die Geschichte so faszinierend. Wäre die Identität der Dunkelgräfin von Hildburghausen bekannt, so wäre sie nur eine Adelige unter vielen.
Die Legenden um die Dunkelgräfin faszinieren die Menschen seit zwei Jahrhunderten, daher wurden schon sehr viele Bücher über die geheimnisvollen Personen geschrieben. Leider sind die meisten Bücher heute vergriffen und viele nicht mal mehr antiquarisch erhältlich. Daher hier eine keine Auswahl der Bücher über die Dunkelgräfin. Mein Favorit ist sogar kostenlos erhältlich, allerdings nur als eBook, es ist „Der Dunkelgraf“ von Ludwig Bechstein. Der bekannte Märchensammler hat auch einige Romane geschrieben. „Der Dunkelgraf“ ist eine spannende und sehr schön erzählte Geschichte der Flucht der Dunkelgräfin durch ganz Europa, z. B. zum Kasteel Doorwerth in Niederlanden.
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