5 Tage mehr Urlaub im Jahr – gute Idee, oder? Wo der Urlaub doch sowieso immer viel zu schnell vorbei ist. Und dazu noch die Möglichkeit, sie direkt am Meer zu verbringen. Perfekt! Dass es die Möglichkeit gibt, Bildungsurlaub zu bekommen, habe ich von meinen Kollegen erfahren, die schon seit Jahren die Möglichkeit mit Begeisterung nutzen. Während ich letztes Jahr ein Kurs für digitale Fotografie in Bochum gemacht habe, fiel dieses Jahr die Entscheidung auf Philosophie auf Sylt. Ich wollte ans Meer und Philosophie hat mich mehr interessiert als Meditation, Feldenkrais, Tanzen oder Yoga. Was Bildungsurlaub überhaupt bedeutet und was ich auf Sylt erlebt habe, erzähle ich in meinem heutigen Post.
Je nach Bundesland ist der Bildungsurlaub unterschiedlich geregelt, da Bildung Ländersache ist. In NRW ist der Anspruch auf Bildungsurlaub im Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz (AWbG) festgelegt. Wie es in eurem Bundesland aussieht, könnt Ihr auf der Webseite Bildungsurlaub.de nachlesen. In Bayern und in Sachsen gibt es keine Bildungsurlaubsgesetze. Schade für Euch!
5 Tage Bildungsurlaub pro Jahr kann jeder beantragen, dessen Betrieb eine entsprechende Größe hat. Wie der Begriff schon sagt, muss man den Bildungsurlaub für Bildung verwenden. Also chillen am Strand mit einem Glas Wein muss hier in die Abendstunden verschoben werden, tagsüber ist Lernen angesagt. Es darf aber private Weiterbildung sein, denn für berufliche Weiterbildung ist der Arbeitgeber zuständig.
Von vielen habe ich schon gehört, dass sie sich gar nicht trauen würden, Bildungsurlaub zu beantragen oder dass es noch nie jemand im Betrieb gemacht hat. Ich habe den Vorteil, im öffentlichen Dienst zu arbeiten, bei uns nimmt ein großer Teil der Belegschaft den Bildungsurlaub in Anspruch.
Die Akademie am Meer ist eine Volkshochschule, eine der ältesten Volkshochschulen in Deutschland. Gegründet wurde sie schon 1919, als Erwachsenenbildung für verschiedene Schichten zugänglich und populär wurde. Unterschiedliche Kurse finden hier statt, nicht nur Bildungsurlaube.
Traumhaft ist die Lage vom Klappholttal. Die Anlage liegt direkt am Rand des Sylter Naturschutzgebietes, direkt am Meer. Man muss nur einen Steg über eine Düne gehen und schon ist man direkt am wunderbaren Sandstrand. Herrlich und wunderschön ist es, ich habe fast jede Pause am Strand verbracht. Immer wenn ich etwas Zeit hatte, bin ich ans Meer gegangen.
Die Volkshochschule besteht nicht aus einem Gebäude, sondern aus vielen kleinen Gebäuden und kleinen Häusern, die in den Dünen verstreut sind. Zum Teil sind es Kleinsthäuser, wo nur eine Person wohnen kann. Der Nachteil sind Gemeinschaftsduschen. Die sanitären Anlagen muss man mit mehren Personen teilen.
Die Küche dort ist überraschend gut und vielfältig, erinnert überhaupt nicht an eine Jugendherberge, sondern ein ein gutes Buffett. Man muss allerdings in Kauf nehmen, dass die Mahlzeiten manchmal von Gesangseinlagen verschiedener Gruppen begleitet werden. Auch im Garten kann trifft man immer wieder Tanz- oder Gymnastikgruppen.
Nun aber zur Philosophie. Meine Kollegen haben mich etwas belächelt, dass ich gerade Philosophie gewählt habe. Aber ich bin manchmal etwas bildungshungrig und über Philosophie habe ich nur ein sehr marginales Wissen. Und ich muss gestehen, dass ich manchmal auch gerne ein Klugscheißer bin, daher war Philosophie die perfekte Wahl für mich. Bildungsurlaub ist kein Urlaub, das habe ich schon erwähnt. Wir haben 40 Wochenstunden Unterricht machen müssen, an drei Tagen in der Woche bis 21.00 Uhr (dafür hatten wir aber 3-4 Stunden Mittagspause). Wir haben Texte verschiedener Philosophen gelesen und darüber diskutiert, sehr viel diskutiert. Das Interessanteste war der Austausch mit anderen Teilnehmern, es war unglaublich bereichernd. Wir haben über sehr vielfältige Themen gesprochen, über Liebe, Religion, über freien Willen, über das Glück und sehr, sehr viel über Arbeit, da ein großer Teil der Teilnehmer (wie ich) aus dem Bereich der Arbeitsverwaltung kam.
Auch über meinen Blog, meine Leidenschaft habe ich mir viele Gedanken gemacht. Themen wie Fotografieren und Entscheidungsfreiheit beschäftigen mich seit dem immer wieder. Bloggen ist Beeinflussung, direkt und indirekt. Aber wie werden meine Entscheidungen beeinflusst und wie beeinflusse ich andere? Bin ich schon fremdgesteuert? Genieße ich meine Reisen noch oder Sammle sie nur? Genieße ich den Augenblick oder suche ich nur noch nach dem perfekten Fotomotiv?
Der Kurs hat mich nicht verändert, aber er hat mir Einiges bewusster gemacht. Vieles sehe ich etwas kritischer, irgendwie schräger, aus einer anderen Perspektive. Und kann absolut nachvollziehen, warum einer der Kollegen schon zum vieren Mal „Philosophieren am Meer“ belegt hat.
Neben der vielen Lernerei hatte ich aber auch einen freien Nachmittag, um die Insel zu erkunden. Die Touristenhochburgen Westerland und List habe ich zwar auch kurz angeschaut, meine Highlights der Insel waren das aber nicht. Bei mir gibt es Tipps, die abseits der üblichen Touristenpfade führen.
Sylt erinnert mich deutlich mehr an Schottland, Irland oder Bretagne, als ich je zuvor glauben könnte. Nicht nur die wilde, wellige Heidelandschaft an der Küste wirkt keltisch, auch die verschiedenen steinernen Grab-Monumente. Es gibt Wander- und Fahrradwege die an verschiedenen Steinzeitgebilden entlangführen. Unter dem Stichwort hünen.kulTour gibt es archäologische Routen, die entland der Grabhügel und Megalithgräber führen. Ich habe nur wenige der Monumente besucht, diese waren aber unglaublich beeindruckend.
Besonders sehenswert fand ich den Denghoog und der Harhoog, ein Steinkammergrab umrundet von Steinreihen. Der Denghoog gehört zu den größten Grabhügel in Deutschland, das Innere kann betreten werden. Bequem ist es jedoch nicht, da der Eingang nur ganz klein ist. Durch die Lage direkt am Meer wirkt der Harhoog magisch. Die Megalithanlage besteht aus einem Dolmen, einem Hünenbett und mehreren Steinreihen. Es ist fast schade zu wissen, dass der Harhog ursprünglich an einer anderen Stelle stand und umgebettet wurde, um dem Flughafen platz zu machen.
Den Nazgul von Sylt kenne ich schon lange, häufig schon habe ich Fotos der gruseligen Skulpur auf dem Friedhof von Kaitum bewundert (#instagrammademetravelthere). Nach einem leckeren Tee und einer Friesentorte im Café 1900 in Kaitum habe ich mich auf den Weg zur Kirche St. Severin gemacht. Es ist die älteste Kirche von Sylt, erstmals urkundlich Mitte des 13. Jahrhunderts erwähnt. Der Friedhof hat einige alte Gräber, die meisten sind aber neu. Spektakulär ist der Nazul oder auch Dementor. Dabei soll die Skulptur gar keine Fantasy-Figur zeigen, es ist eine „Pieta“, eine Skulptur, die Trauer und Mitleid symbolisieren soll. Die Künstlerin Anna Chromy hat sie geschaffen. Der Nazgul ist nicht nur auf Sylt zu finden, sondern an vielen Orten in ganz Europa, z. B. vor dem Salzburger Dom, vor dem Ständetheater in Prag oder dem Archäologischen Museum in Athen.
Ich würde am liebsten wieder nach Sylt und wieder in die Akademie am Meer fahren. Sowohl die Veranstaltung als auch die Lage der Bildungsstätte waren absolut gut. Und auch die Philosophie habe ich genossen. Habe ich nun in Euch die Lust auf einen Bildungsurlaub geweckt? Fragen beim Arbeitgeber kostet nichts. Aber aus der Vielzahl an verschiedenen Angeboten kann auch der Arbeitgeber profitieren. Ob Gebärdensprache in Düsseldorf, WordPress in Köln, Arabisch in Marokko, Fotokurs in einem Kloster oder Stressprophylaxe auf Norderney, ich vermute, dass für jeden etwas dabei ist. Ich habe jetzt schon mit der Planung des Bildungsurlaubs für 2018 begonnen, bei der großen Auswahl der Angebote ist die Entscheidung schwer.
Falls einer von meinen Lesern schon Bildungsurlaub gemacht hat, vielleicht habt Ihr Tipps für mich? Wie waren Eure Erfahrungen und welche Veranstaltung würdet Ihr empfehlen?
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Da hast du dir ja ein wunderschönes Plätzchen für den Bildungsurlaub gesucht. Nächstes Jahr muss ich das dringend mal angehen.
Liebe Grüße!
Ich finde auch, dass sich nachfragen lohnt. Und es gibt mehr als 5000 Kurse im Angebot.
Toll das es dieses Jahr geklappt hat du hattes ja erzählt das der Kurs sehr gefragt war.Kann man gut verstehen.
Selber habe ich noch keinen Bildungsurlaub gemacht aber finde die Möglichkeit echt toll.Aber stimmt viele kenne den Bildungsurlaub gar nicht.
LG Chrissi
Ich glaube, die meisten Kurse am Meer sind sehr schnell ausgebucht. Am Meer fühlt sich jede Schule wie Urlaub an. In Bochum war das nicht ganz so charmant.
Ich habe schon öfters mal was vom Bildungsurlaub gehört, aber dsa ist auch bei uns im Unternehmen tatsächlich nicht gerne gesehen und ich glaube es hat auch bis jetzt noch keiner einen Bildungsurlaub genommen.
Aber die Kosten für den Bildungsurlaub selber, muss man doch selbst tragen oder?
Jedenfalls sieht es deinem Bericht nach zu urteilen nach einem tollen Bildungsurlaub und einer schönen Zeit auf Sylt aus. 🙂
Auf Sylt war ich bisher noch nicht, aber da will ich auch unbedingt mal hin.
Liebe Grüße an Dich <3
Ja, ich glaube, in der freien Wirtschaft ist das überhaupt nicht üblich.
Das klingt [und sieht] ganz wunderbar nach Bildung und Urlaub [aus] 🙂
Ohja, es war perfekt, trotz Etagenduschen.
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