Wandern geh ich sehr gerne! Neben der nicht allzu anstrengenden Bewegung, bekomme ich so den Kopf frei, kann die Natur genießen und die Schönheit der Landschaft bewundern. Klöster besucht ich auch häufig, denn es sind geschichtsträchtige, interessante Orte, die uns oft etwas über verschiedene Jahrhunderte berichten. Aber Klöster hatten auch für Frauen besondere Bedeutung, denn sie waren meist die einzigen Orte, wo Frauen Bildung bekommen konnten. Eine Wanderung auf dem Harzer Klosterwanderweg war daher wie für mich gemacht. Die Reise hatte aber auch eine spirituelle Seite, denn Wandern von Kloster zu Kloster hat etwas Meditatives. Kirchen und Klöster waren für Menschen schon immer Orte der Ruhe, der Begegnung mit Gott.
Unsere Reise war keine reine Wanderung, es war eine Pilgerreise. Die liebliche Landschaft des Vorharzes habe ich genossen und die Geschichte der alten Gebäude hat mich sehr interessiert. Aber es war spannend, sich aufs Pilgern einzulassen. Pilgern ist derzeit voll im Trend, vermutlich weil die Menschen auf der Suche nach Ruhe und Stille sind, nach Entschleunigung oder weil sie Aufatmen möchten. Andere sind auch auf der Suche nach sich selbst, nach Antworten oder nach etwas ganz Anderem.
In Drübeck startete unsere Reise. Ich bin am späten Nachmittag angereist und erkundete zuerst das Gelände des Klosters alleine. Die Ruhe, die Idylle beeindruckten mich sehr, Blätterrauschen und Vogelgezwitscher entspannten sofort. Natürlich trug auch das sonnige Wetter zu meiner absoluten Zufriedenheit bei. Wir starteten mit einem gemeinsamen Abendessen, es ist wohl die beste Gelegenheit, die Teilnehmer der Tour ein wenig kennen zu lernen. Im Anschluss bekamen wir eine Klosterführung. Auf dem Klostergelände gibt es sehr viel zu sehen, die Klostergeschichte und der Alltag der Äbtissinnen sind so interessant, dass die 1,5 Stunden sehr schnell vergangen sind. Abends saßen wir noch bei einem Hasseröder zusammen, denn auf Reisen muss man schließlich lokale Produkte ausprobieren. Das Bier Hasseröder kommt aus Wernigerode, nur knapp 10 Kilometer von hier.
Der Name des Klosters Drübeck kommt von „Dre Becke“ oder „Drubechi“, von 3 Bächen, die einst in der Nähe des Klosters flossen. Gegründet und erbaut im 9. oder 10. Jahrhundert als Benediktinerinnen-Kloster. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 960 aus einer Urkunde von Otto I.. In frühen Epochen lebten dort ca. 20-30 Nonnen.
Während der Reformationszeit wurden die Nonnen vertrieben, das Gelände abgebrannt. Um den Wiederaufbau hat sich Graf Christian von Stollberg-Wernigerode gekümmert. Auf seine Veranlassung wurde im Jahre 1687 das katholische Kloster in ein evangelisches Damenstift umgewandelt. Seit dem wohnten nur 6 Stiftsdamen in Drübeck. Sie lebten nach dem Prinzip der Gleichheit, jede durfte denselben Besitz haben, was man heute noch an den Gärten sehen kann. Auf dem Klostergelände gibt es 6 abgetrennte Gärten der Stiftsdamen, die alle exakt gleich groß sind.
Sehenswert ist auch die ca. 300 Jahre alte Linde, die bis heute auf dem Gelände wächst. Einst waren es 7 Stämme, die heute zu einem dicken Stamm zusammengewachsen sind. Es wird vermutet, dass die 7 Stämme die 6 Äbtissinnen und den Erbauer symbolisieren sollen.
Während der DDR-Zeit wurde das Kloster zum „Staatlichen Erholungsheim für berufstätige Damen gehobenen Standes“ umfunktioniert. Heute beherbergt das Kloster eine Tagunsstätte der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.
Die Kirche St. Vitus, der Mittelpunkt der Klosteranlage, wurde im 10. Jahrhundert erbaut und ist heute der älteste Teil des Klosters. Der Altar stammt aus der Spätgotik, wurde im 15. Jahrhundert hergestellt.
In der Kirche kann man noch den Grabstein von der Äbtissin Catharina von Stolberg sehen, sie war die letzte katholische Äbtissin des Klosters. Als das Kloster in ein evangelisches Damenstift umgewandelt wurde, leitete sie das Stift weiter, obwohl sie katholisch war. Eine andere, deutlich ältere Grabplatte wird in der Krypta der Kirche aufbewahrt. Die Grabplatte soll der Äbtissin Adelbrin gehört haben, der ersten Äbtissin und Gründerin des Klosters. Adelbrin, die eine säschsische Adelige war, starb ca. 900.
Unsere Wanderung begann nicht in Drübeck, sondern in Ilsenburg, am Kloster Ilsenburg. Die Etappe betrug lediglich 20 Km. Wären wir am Kloster Drübeck gestartet, wären noch 6 Kilometer dazu gekommen, das wäre vermutlich etwas viel für ungeübte wie mich.
Erbaut wurde das Kloster in den Jahren 1003-1018 als ein Benediktinerkloster. Im Jahre 2003 feierte das Kloster sein 1000-jähriges Bestehen. Das Kloster wurde vermutlich am Ort einer Burg, einer kaiserlichen Jagdpfalz erbaut. Von der Burg Ilsenburg ist heute jedoch nichts mehr erhalten. Die erste urkundliche Erwähnung ist eine Schenkungsurkunde vom Heinrich II. aus dem Jahre 1003. „Elysnaburg“ wurde damals dem Bistum Halberstadt überlassen.
Im späten Mittelalter wurde Ilsenburg zunehmend bedeutsamer und einflussreicher. Viele Klostergründungen wurden von hier veranlasst. Nach der Reformation wurde hier eine evangelische Klosterschule errichtet. Das Kloster blieb weiterhin eine Jagd-Stadtion für den örtlichen Adel. Die Grafen von Wernigerode hielten sich hier mehrfach zur Jagd auf, es gab sogar ein gräfliches Gemach im Kloster. Seit 1609 wurde das Kloster zum Wohnsitz der Familie der Grafen zu Stolberg-Wernigerode, das Gelände blieb bis zum Ende des II. Weltkrieges im Besitz der Grafenfamilie. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde an die Klostergebäude ein Schloss im Stil der Neoromanik angebaut. Heute findet man ein Café und Restaurant im Schloss.
Weiter wanderten wir an einem Wegweiser „Zum Jungborn“ entlang. Bis dato war mir die Jungborn unbekannt, doch unser Pilgerführer erzählte uns die Geschichte. Jungborn war eine Bewegung, die „Rückkehr zur Natur“ propagierte. Gegründet wurde die Bewegung 1895 im Eckertal im Harz von Adolf Just. Er richtete dort eine „Naturheilanstalt“, als Heilmittel nutze er Lösserde. Die Mitglieder lebten streng vegetarisch und und praktizierten Nudismus, weswegen die Bewegung nach kurzer Zeit wieder verboten wurde. Es war eine Gegenbewegung zur der biederen Biedermeierzeit, aber natürlich ganz keusch, alles war nach Geschlechtern getrennt. Die Naturheilanstalt von Just hatte einige berühmte Besucher, wie z. B. Franz Kafka oder Rudolf Steiner. Später gründete Just die Luvos-Heilerde-Gesellschaft. Wie schon in der Naturheilanstalt propagierte er die heilende Wirkung der Erde. Luvos-Heilerde wird bis heute als Gesundheitsmittel und Kosmetikum genutzt.
Eine Etappe der Wanderung führt durch den Schimmerwald. Es ist die lieblichste Etappe des Weges, landschaftlich so wunderschön, dass ich an jeder Ecke das Bedürfnis hatte, stehen zu bleiben und Fotos zu machen. Doch der Schimmerwald hat auch eine düstere Seite. Während des II. Weltkrieges befand sich hier ein Munitionslager, das am Ende des Krieges gesprengt wurde. Die Druckwelle brachte Zerstörungen bis Bad Harzburg mit sich. Die nicht zerstörte Munition wurde im Wald verstreut, daher durfte der Schimmerwald über Jahrzehnte nicht betreten werden. Wie schön, dass dieser idyllische Ort heute wieder für Wanderer freigegeben ist.
An sehr vielen Stationen wurden wir daran erinnert, dass wir entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze wandern. Häufig sind alte Grenzposten zu sehen. Die Straßen sind mit Schildern versehen, die die den Tag und die Uhrzeit der Befreiung nennen. Am meisten beeindruckt mich aber das Kirchenfenster zur Deutschen Einheit in Abbenrode. Die dortige Dorfkirche hat eine einzigartige Besonderheit. Eins der Glasfenster ist der Deutschen Wiedervereinigung gewidmet und zeigt den Fall der innerdeutschen Grenze. Im Hintergrund die Engel mit Fanfaren, die an den Fall der Mauer von Jericho erinnern. Im Vordergrund Menschen, die sich von beiden Seiten auf den Weg machen.
In Abbenrode wurden wir von einer Dame der evangelischen Frauengemeinschaft zum Kaffee empfangen.
Die Wanderer auf dem Klosterwanderweg werden von Engelsbänken begleitet, sie laden zum Verweilen ein. Die Bänke, deren Lehnen die Form eines Engels haben, findet man an vielen markanten Stellen. Insgesamt gibt es 15 Engelsbänke. Warum wurden gerade Engel für als Bankmotiv und Wahrzeichen des Harzer Klosterwanderweges gewählt? Die Engel sollen den Wanderer „beflügeln“, ihm Kraft verleihen für den weiteren Weg oder für das weitere Leben. Engel sind spirituelle Wesen, von denen sich viele Menschen angesprochen fühlen, auch diejenigen, die keinen Bezug zur Kirche haben.
Jede der Engelsbänke ist mit einem Sinnspruch versehen und mit kurzen Informationen über den jeweiligen Ort. Die Sinnsprüche haben nicht immer einen kirchlichen Bezug, sie sind durchaus weltlich, z. B. ein Zitat von John Lennon.
Die Türme des Klosters sahen wir schon von weitem, wir waren dem Ziel endlich nah. Erschöpft und verschwitzt sind wir in Wöltingerode angekommen, aber alle zufrieden und ein wenig stolz. Immerhin war es eine Wanderung von über 20 Km. Aus der Ferne kann man die beeindruckenden Ausmaße der Klosteranlage erkennen. Im Innern empfängt uns mondäne Einrichtung und ein Hauch von Luxus. Unsere Wanderung endete hier, doch der Klosterwanderweg ist deutlich länger.
Die Benediktiner und Benediktinerinnen begleiten uns während aller Etappen des Klosterwanderweges, denn auch das Kloster Wöltingerode wurde als ein Benediktiner-Kloster gegründet. Doch schon 14 Jahre später, im Jahre 1188 wandelte Kaiser Friedrich Barbarossa das Kloster in ein Zisterzienserinnen-Konvent um. Wenige Jahrzehnte nach der Gründung erlebte das Kloster seine Blütezeit. Es war nicht nur das Mutterkloster für verschiedene Klöster der Umgebung, sondern auch ein bedeutendes Scriptorium. Buchmalerei wurde hier betrieben, viele bedeutende Werke des Mittelalters sind hier entstanden. Einige davon kann man bis heute in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel bewundern.
1568 wurde eine lutherische Äbtissin als Vorsteherin gewählt, erst dann setzte sich die Lutherische Lehre auch hier durch und das Kloster wurde zum evangelischen Damenstift. 1807 fiel das Kloster an das Königreich Westfalen, regiert von Napoleons Bruder Jérôme Bonaparte, und wurde aufgehoben. Die Gebäude wurden später als Verwaltung und Schule genutzt. Heute ist es ein gehobenes Hotel samt Brennerei.
Meine erste und letzte Pilgerreise ist schon fast 20 Jahre her. Damals bin ich auf einer Studenten-Pilgerreise von Paris nach Chartre gelaufen. Eigentlich bin ich damals nur mitgefahren, um für wenig Geld nach Paris zu kommen. Doch ich war von der Stimmung, von der Gemeinschaft und von den Eindrücken tief berührt. Auch dieses Mal erging es mir ähnlich. Für die Pressereise habe ich mich angemeldet, weil mich die Klöster interessiert haben. Aber gerade der spirituelle Teil war stärker und nachhaltiger. Es war pure Entschleunigung! Dazu hat die Begleitung unserer beiden Pilgerbegleiter Claudia und Axel Lundbeck enorm beigetragen. Das emeritierte Pfarrer-Ehepaar waren die perfekten Begleiter, unaufdringlich gaben sie uns verschiedene Impulse, immer zum richtigen Zeitpunkt.
Unsere Wanderung umfasste nur wenige Etappen des Kloster-Wanderweges. Der ganze Weg führt von Goslar bis nach Thale. Auf 67 Kilometern kann man 9 Klöster und romanische Kirchen bewandern.
Es gibt unterschiedliche Pauschalangebote für den Klosterwanderweg, z. B. „Wandern ohne Gepäck auf dem Harzer Klosterwanderweg“. Mehr Informationen findet man auf der Webseite www.bodetal.de. Und für alle, die gerne auf eigene Faust unterwegs sind, der Weg ist ausgezeichnet beschildert und es gibt verschiedene Übernachtungsmöglichkeiten in den jeweiligen Orten.
Nun ist der Bericht ziemlich lang geworden, ohne dass ich auf die jeweiligen Übernachtungsstationen im Kloster Drübeck und Kloster Wöltigerode eingegangen bin. Daher gibt es in den nächsten Tagen einen zweiten Artikel über die Übernachtungen in Klöstern auf dem Harzer Kloster-Wanderweg.
Alle, die noch mehr erfahren möchten, sollten die Artikel von Claudia auf dem Blog „Aktiv durch das Leben“ anschauen.
Den Harzer Kloster-Wanderweg besuchte ich im Rahmen einer Pressereise, für die Einladung möchte ich mich bei Ilsenburg-Tourismus ganz herzlich bedanken!
Hallo du Liebe,
sehr schöne Bilder sind das (über den Text mache ich mich her, wenn ich mehr Zeit dafür finde)! Bei mir wird heute auch gewandert – und alte Linden gibt’s da übrigens ebenfalls zu sehen ;-))
Herzlichst, die Traude
http://rostrose.blogspot.co.at/2017/05/durch-die-wuste-vorbei-der-einode.html
Klöster haben eine ganz besondere Atmosphäre! Danke Dir!
Hey,
also ich finde das Kloster ja richtig super!
Ich wünsche dir einen schönen Start in die Woche.
Danke, das wünsche ich Dir auch!
Hallo, Eva,
dein Blog über unsere gemeinsame Pilgertour ist ja wirklich schön geworden! So schöne Bilder und gute Beschreibung der Orte. Auch für uns war es ein besonders schöner Tag mit euch!
Claudia und Axel
Danke, es war mir eine Freude, mich Euch zu pilgern!
wundervoller Beitrag! Der Wanderweg reizt mich sehr, die Landschaft ist sehenswert und ich stehe auf die Architektur!
Vielen Dank für den schönen Bericht und für die Inspiration. Morgen geht es auf in den Schimmerwald …
Ich bin überzeugt, dass es Dir gefallen hat!
Liebe Burgdame, vielen Dank für Deinen Bericht, der mich weiter inspiriert hat. Ich hatte den Flyer auf einem Weihnachtsurlaub i Wernigerode im Jahr 2014 entdeckt und seitdem nie weggelegt. Immer gespürt, das könnte nochmal für mich interessant werden.
Also interessiert war ich schon aber Dein Bericht hat das Ganze jetzt nochmal verstärkt und einen neuen Aspekt hinzugefügt. Wandern in einer geführten Gruppe. Ich möchte mich mal erkundigen, ob es das noch gibt.
viele liebe Grüße, Sascha aus Kassel
Die geführte Wanderung gibt es bestimmt noch, ich glaube aber, dass es nur in den Sommermonaten angeboten wird. Der Klosterwanderweg ist nicht nur landschaftlich und geschichtlich einmalig interessant. Ich hab mich auf die spirituellen Impulse eingelassen und es war sehr bereichernd – obwohl es normalerweise so gar nicht „mein Ding“ ist.
Herzliche Grüße zurück!
Ja, der Weg ist wunderbar!
Hier sind schon Pilgertouren eingestellt:
https://www.unterwegs-mit-gott.de/aktuell/nachrichten/nachrichten-ansicht/?no_cache=1&tx_ttnews%5Btt_news%5D=23&cHash=53e182084a4defcae3662c481b40fccc
Mit herzlichem Gruß!
der Pilgerbegleiter Axel
Hallo Axel, die Angebote habe ich nachgeschaut. Z.B. Wernigerode-Goslar ist aber nicht der ganze Weg? (07.-10. Mai)
LG, Sascha
Hallo, Sascha,
ja, wir bieten in der Regel Pilgertouren für 3 Tage an: entweder von Goslar nach Wernigerode oder von Wernigerode nach Gernrode. nur vom 11.-14 9. gibt es eine Tour von Thale nach Goslar mit dem Schweizer Pilgerpastor für Trauernde.
Neuerdings führt der Weg sogar von Goslar bis Quedlinburg. Der neue Teil muß aber noch ausgeschildert werden. Man kann ihn schon im Internet bis Gernrode finden: https://www.outdooractive.com/de/pilgerweg/harz/harzer-klosterwanderweg/2805216/#dm=1
Vielleicht sehen wir uns ja mal!
Frohe Weihnachten!
Axel, Pilgerbegleiter