Meine regelmäßigen Leser wissen, dass ich ein Berufspendler bin, der täglich viel Zeit im Auto verbringt – daher sind auch Hörbücher bei mir ganz herzlich willkommen. 

Ich bin immer sehr erfreut, wenn es bei „Blogg Dein Buch“ auch mal Hörbücher zum Bebloggen gibt und das Hörbuch, welches ich heute vorstelle, gehört besonders in mein Beuteschema. 
Autor: 
Andrew Miller, geb. 1960 in Bath, studierte Creative Writing und schreibt recht erfolgreich historische Romane. Seine Romane wurden schon mit mehreren Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem International Dublin Literary Award. „Friedhof der Unschuldigen“ ist sein sechster Roman. 
Cover: 
Das Cover war ein wichtiger Grund, warum ich mich sofort für das Hörbuch interessiert hab. Auf dem Bild sieht man ein etwas abgewandelte Radierung von Francisco de Goya „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“. Das Cover passt perfekt zu der Geschichte, die Hauptperson Jean Baptiste Baratte wird von vielen Sorgen und Bedenken geplagt, die sich nachts durch Alpträumen und Schlaflosigkeit bemerkbar machen. Der Umgang damit ist ein ganz wichtiger Strang der Erzählung. 
Handlung:
Die Geschichte spielt in Paris, Ende des 18. Jahrhunderts, die herannahende französische Revolution ist überall spürbar. Der junge und ehrgeizige Ingenieur Jean Baptiste Baratte bekommt vom Minister des Königs Louis XVI. den Auftrag, den Cimetière des Innocents (deutsch Friedhof der Unschuldigen) umzubetten. Der Kirchhof der Kirche „Aux Saints-Innocents“ wird schon seit Jahrzehnten als Friedhof benutzt, hunderttausende Leichen wurden dort beerdigt und die Verwesungsgerüche vergiften die Bevölkerung immer mehr. Aber das Vorhaben wird nicht von allen Menschen mit Wohlwollen angenommen. Einige der Anwohner begegnet Baratte mit Skepsis und Ängsten, da er die Totenruhe stört. 
Sprache: 
Die Sprache ist sehr bildhaft, mit Liebe zum Detail. Ich konnte mir die Häuser, die Gassen und auch die Gerüche und Geschmäcker gut vorstellen, weil sie so bildlich beschrieben wurden. Das Buch erinnert nicht an ein zeitgenössisches Buch, die Sprache ist eher der Epoche angepasst. 
Kritik: 
Das Buch ist kein Roman im herkömmlichen Sinne, es ist eher ein Gesellschaftsportrait. Das Leben, die Gedanken, die Ängste der Bevölkerung werden sehr anschaulich dargestellt. Baratte, der zuerst nicht weiß, wie er an seinen Auftrag herangehen soll, entwickelt seinen Plan erst mit der Zeit, erst nach und nach weiht er sein Umfeld in sein Vorhaben ein. Die Reaktionen von seinem Umfeld sind gemischt.
Das Buch ist eine Aneinanderreihung von Fakten, von historischen Details. Die Charaktere werden erst im Laufe der Geschichte aufgebaut, die meisten bleiben aber blass und sind beliebig durch andere ersetzbar. Die Charaktere machen jedoch nicht den Reiz der Geschichte aus. Interessant sind die Gedanken, bzw. die Bedenken und Gefühle der Personen und der Umgang. Die einen akzeptieren den Plan, helfen aktiv mit und wollen an der Neugestaltung beteiligt sein, anderen wiederum begegnen ihm mit offener Feindschaft, mit Unwissen. An den Wänden findet Baratte feindliche Parolen und wird sogar angegriffen. Überrascht hat mich, dass der Arzt Guillotin (der Erfinder der Guillotine) so menschlich-sympathisch dargestellt wurde, er war einer der wenigen Charaktere, die Charakter hatten. 
Jean Baptiste Baratte wird aber nicht nur mit den Ängsten seiner Mitmenschen konfrontiert, er muss sich auch seinen Ängsten stellen. Das Buch beschreibt auch die Entwicklung der Hauptperson, von einem unerfahrenen „Grünschnabel“, der sich von allen beeinflussen lässt, zu einem Menschen, der weiß, was er will und hinter seinen Entscheidungen steht. 
Die Geschichte ist nicht spannend geschrieben, manchmal fand ich sie sogar ein wenig leblos – wie die Leichen die auf dem Friedhof ausgegraben werden. Man erfährt sehr viel über die damalige Zeit, über das Leben der Menschen am Vorabend der Revolution, über deren Freizeit, die Wohnverhältnisse und deren Essensgewohnheiten. Die Geschichte war immer interessant, hat mich aber an keiner Stelle wirklich gefesselt. 
Hörbuch: 
Wie schon erwähnt, ich habe nicht das Buch gelesen, sondern das Hörbuch gehört. Gelesen wird die Geschichte von Franz Stöckle – und hier muss ich zugeben, das er die Stimmung des Buches sehr passend umgesetzt. Das Buch wird sehr rational und emotionslos gelesen, es passt zu der „nüchternen“ Geschichte, bei der die Tatsachen stärker als die Gefühle im Vordergrund stehen. 
Bewertungen fallen mir grundsätzlich schwer, die Stern- oder Herzenbewertungen finde ich so wenig aussagekräftig, aber bei gesponserten Büchern muss ich die Bücher bewerten. Ich war zuerst am überlegen, ob ich 3 Herzen vergeben soll, aber für die bildgewaltige Sprache, die mich sehr beeindruckt hat, gebe ich ein zusätzliches Herz. 
Interessiert Euch noch was aus den ganzen Gebeinen geworden ist, die von Jean-Baptiste umgebettet wurden??? Sie wurden in den Katakomben von Paris gelagert, wo man sie bis heute aufgestapelt sehen kann. Wer mehr über die Katakomben erfahren möchte, sollte meinen Post „Die Katakomben von Paris“ lesen. 

Danke an den  Audiobuch-Verlag, dass ich das Hörbuch kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen habe. 
Das Hörbuch kostet 22,95 €, bestellen könnt Ihr es direkt beim Audiobuch-Verlag, in Buchhandlungen oder bekannten Internetshops. 
Erstellt am September 8, 2013

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3 Antworten zu “„Friedhof der Unschuldigen“ von Andrew Miller (als Hörbuch)”

  1. Hallo Meagwin,
    interessante Kritik. Die Revolutionszeit in Paris nach 1789 hat auch Chateaubriand beschrieben, dessen Memoiren ich gelesen habe. Er schreibt vor allem, wie die Adligen verfolgt werden und u.U. im Gefängnis landen können. Das Hörbuch hört sich auch interessant an. Ich höre gerne Podcasts über mein Internet-Radio (dies sind allerdings Sachthemen aus Radiosendungen). Hörbuch habe ich noch nicht versucht.

    Gruß Dieter

  2. Carolina sagt:

    Super-interessant Kritik, ich liebe diese Art von Themen.

    (How is my german?) jiji, thanks Google Translator!!

    Liebe GrüBe

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